<article class="rz"><h2>1. Historische Einigung der OECD/G20 Staaten</h2>
<p>Am 8. Oktober 2021 haben 137 der 141 Staaten und Gebiete des Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting («Inclusive Framework») einer umfassenden globalen Steuerreform zugestimmt. Inhalt dieser Reform ist eine globale Umverteilung von Gewinnen der weltweit grössten Konzerne mit einem Umsatz von über 20 Milliarden Euro hin zu Marktstaaten («Pillar One») sowie die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer von 15% auf Unternehmensgewinnen grösserer Konzerne mit einem jährlichen Umsatz von über 750 Millionen Euro («Pillar Two»). Nur die <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> Mitglieder Kenya, Nigeria, Pakistan und Sri Lanka haben sich der Erklärung vom 8. Oktober nicht angeschlossen. Die teilnehmenden Staaten wollen so eine fairere Verteilung der Gewinne der grössten Konzerne durchsetzen und einen ungesunden Steuerwettbewerb nach unten zwischen den einzelnen Ländern verhindern. Die Reform soll jährlich zusätzliche Steuereinnahmen von rund 150 Milliarden US Dollar generieren.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> Die Reform soll weltweit per 1. Januar 2023 in Kraft treten. Die Länder haben sich zudem verpflichtet, keine Digitalsteuern oder ähnliche Steuern, wie Steuern auf dem Umsatz von digitalen Unternehmen, einzuführen. Falls die Staaten solche bereits eingeführt haben, sollen diese mit Inkrafttreten der Reform abgeschafft werden.</p>
<p>Die neuen Besteuerungsregeln wurden notwendig, da sich die Wirtschaft weg von Fabriken, Warenlagern und physischen Gütern hin zu Büros, Digitalisierung und Dienstleistungen entwickelt hat. Als Folge davon können Geschäfte heute auch ohne physische Präsenz in einem Staat getätigt werden. Die Umverteilung der Gewinne (Pillar One) wird voraussichtlich rund 160 Konzerne betreffen, wovon nur drei bis vier einen Sitz in der Schweiz haben. Dabei wird es sich bspw. um Nestlé, Novartis und Roche handeln. Von den ausländischen Konzernen, welche vom Pillar One betroffen sein werden, haben rund 100 eine Präsenz in der Schweiz. Die Wirkung der Pillar One auf die Schweiz ist also begrenzt.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup> Der Einfluss der globalen Minimalsteuer (Pillar Two) ist dagegen wesentlicher. Diese wird voraussichtlich eine tiefe dreistellige Zahl von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sowie eine tiefe vierstellige Zahl an ausländischen Konzernen mit Präsenz in der Schweiz betreffen. Zurzeit erarbeitet das Eidgenössische Finanzdepartement in Zusammenarbeit mit weiteren Departementen unter Einbezug von Kantonen, Städten, Wirtschaft und Wissenschaft bis Ende des erstens Quartals 2022 Vorschläge an den Bundesrat, welche den Unternehmen weiterhin bestmögliche Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum bieten sollen und international akzeptiert sind.<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup></p>
<h2>2. Pillar One – Weltweite Umverteilung von Gewinnen</h2>
<h3>2.1 Übersicht und betroffene Unternehmen</h3>
<p>Beim Pillar One<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup> geht es um die formelmässige Aufteilung eines Anteils des konsolidierten Konzerngewinnes der weltweit grössten Konzerne auf Marktstaaten, unabhängig davon, ob diese Konzerne dort eine physische Präsenz haben. Im Gegensatz zum im Vorjahr veröffentlichten <a href="https://www.oecd-ilibrary.org/taxation/tax-challenges-arising-from-digitalisation-report-on-pillar-one-blueprint_beba0634-en;jsessionid=Kc5y6CibHkBhZwdkKWPEPe-2.ip-10-240-5-29" target="_blank" rel="noopener">Blueprint der Pillar One</a><sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup> unterstehen bis auf wenige Ausnahmen neu sämtliche Konzerne mit einem weltweiten konsolidierten Umsatz von über 20 Milliarden Euro und einer Umsatzmarge von über 10% (Gewinn vor Steuern im Verhältnis zum Umsatz) dem Pillar One. Ausnahmen bestehen nur noch für den Sektor Rohstoffabbau (nicht aber Rohstoffhandel) sowie für regulierte Finanzunternehmen (v. a. Banken).<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> Bereits nach Ablauf von acht Jahren ist eine Absenkung der Umsatzschwelle auf 10 Milliarden Euro geplant, sofern die Einführung über die ersten sieben Jahre erfolgreich war und Rechtssicherheit geschaffen werden konnte.</p>
<p>Die Zuweisung von Gewinnen hin zu Marktstaaten unabhängig von einer physischen Präsenz wird damit gerechtfertigt, dass die Konsumenten in diesen Staaten selbst zu einem Teil der Wertschöpfung beitragen bzw. die Unternehmen von der vor Ort vorhandenen physischen und rechtlichen Infrastruktur profitieren.</p>
<h3><strong>2.2 </strong><strong>Funktionsweise</strong></h3>
<h4>2.2.1 Amount A</h4>
<p>25% des Konzerngewinnes, welcher 10% des Umsatzes übersteigt (Residualgewinn), wird auf die Markstaaten verteilt («Amount A»). Die Verteilung auf die Marktstaaten erfolgt nach Massgabe der anteiligen Umsätze an nicht zum Konzern gehörende Drittkunden in diesen Marktstaaten. Der Konzerngewinn soll dabei nach dem in der Konzernrechnung ausgewiesenen Gewinn mit einer geringen Anzahl von Anpassungen bestimmt werden. Verluste können auf zukünftige Steuerperioden vorgetragen werden. Die Konzernrechnung ist dabei nach einem international anerkannten Rechnungslegungsstandard, beispielswiese IFRS oder US GAAP zu erstellen.</p>
<h4>2.2.2 Amount B</h4>
<p>Falls der Konzern im Marktstaat bereits physisch präsent ist und z.B. über eine Tochtergesellschaft Marketing- sowie Vertriebsfunktionen ausführt, soll diese Tätigkeit vorab mittels einer fixen Marge abgegolten werden («Amount B»). Die Höhe dieser Marge bzw. die Entschädigung für solche grundlegenden Marketing- und Vertriebsfunktionen wird vom Inclusive Framework (erst) Ende 2022 bestimmt werden. Beim Amount B wird es sich also um eine fixe, fremdvergleichskonforme Gewinnmarge für Marketing- und Vertriebstätigkeiten handeln.</p>
<p>Ein sogenannter «Marketing and Distribution Profit Safe Harbour» soll ausserdem sicherstellen, dass in Staaten, in welchen bereits ein Teil des Residualgewinnes besteuert wird, der Betrag des zusätzlich zugewiesenen Amount A begrenzt wird. Damit soll eine Zuordnung von Amount A, welche zu einer Doppelzählung führen würde (gleicher Residualgewinn wird zweimal zugewiesen), verhindert werden. Wenn ein Konzern die Safe Harbour Rendite aufgrund der bestehenden Gewinnzuteilungsregeln (Verrechnungspreisregeln) bereits einem Markstaat zuweist, soll es dementsprechend keine (weitere) Zuweisung von Amount A geben. Der genaue Mechanismus dieser Regel wird ebenfalls (erst) Ende 2022 bestimmt werden.</p>
<h4>2.2.3 Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verfahren</h4>
<p>Eine Doppelbesteuerung desjenigen Teils des Gewinnes, welcher den Marktstaaten zugewiesen wird, soll vermieden werden. Dies soll erreicht werden, indem diese Gewinne in dem Staat, in welchem sie ursprünglich verbucht wurden, von der Besteuerung ausgenommen (Freistellungsmethode) oder an die Steuern angerechnet (Anrechnungsmethode) werden. Wurde der Residualgewinn in mehreren Staaten verbucht, ist voraussichtlich mittels verschiedener Tests zu bestimmen, welcher Staat sich welche umverteilten Gewinne anrechnen lassen muss (Bestimmung der Paying Entity).<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup> Dies erfordert eine umfassende Koordination der bei der Besteuerung eines Konzerns involvierten Staaten. Neue Mechanismen zur Streitprävention und -beilegung sollen daher Doppelbesteuerungen aufgrund von Streitigkeiten der Staaten über den Amount A verhindern.</p>
<p>Die Steuervorschriften sollen möglichst einfach gehalten werden und es soll möglich sein, die Deklaration und Administration über eine einzige Konzerngesellschaft abzuwickeln. Zur Vereinfachung der Deklarationsvorschriften zählt auch, dass Gewinne grundsätzlich nur in Marktstaaten ausgeschieden werden sollen, in welchen der Konzern jährlich mindestens 1 Million Euro Umsatz erzielt.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup></p>
<h3>2.3 Offene Punkte</h3>
<p>Die Verteilung des Amount A soll aufgrund der in den Marktstaaten erzielten Umsätze mit nicht zum Konzern gehörenden Drittkunden erfolgen. Dieser Gewinn soll also in denjenigen Staaten besteuert werden, in welchen die Produkte und Dienstleistungen des Konzerns genutzt oder konsumiert werden. Mit den bislang veröffentlichten «<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/public-consultation-document-pillar-one-amount-a-tax-base-determinations.pdf" target="_blank" rel="noopener">Draft Model Rules for Tax Base Determinations</a>» und den «<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/public-consultation-document-pillar-one-amount-a-nexus-revenue-sourcing.pdf" target="_blank" rel="noopener">Draft Model Rules for Nexus and Sourcing</a>» der <a href="https://www.oecd.org/">OECD</a> wurden bereits einige offene Fragen geklärt. Allerdings ist anzumerken, dass es sich bei diesen Model Rules um Arbeitspapiere handelt, welche bis zur definitiven Umsetzung noch Anpassungen unterliegen können.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup> Diese Model Rules beinhalten z.B. die Bestimmung des Konzerngewinnes oder –verlustes, welcher zur Bestimmung des Amount A hinzugezogen wird (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/public-consultation-document-pillar-one-amount-a-tax-base-determinations.pdf" target="_blank" rel="noopener">Tax Base Determination</a>) oder detaillierte Regeln, wie die Zuweisung des Konzernumsatzes auf die Marktstaaten erfolgen soll (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/public-consultation-document-pillar-one-amount-a-nexus-revenue-sourcing.pdf" target="_blank" rel="noopener">Nexus and Sourcing</a>).</p>
<p>Die Regeln für die Herkunft der Einnahmen sehen vor, dass die betroffenen Konzerne die Herkunft der Einnahmen auf Transaktionsbasis für jeden einzelnen Posten ermitteln müssen. Je nach Art des Ertrages werden Kriterien aufgestellt, um den Marktstaat zu ermitteln.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup> Insbesondere bei Geschäftsmodellen, welche auf den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen an Geschäftskunden setzen (z.B. Internetwerbung) oder bei welchem Umsatz via Zwischenhändler erzielt wird, ist dieses Revenue Sourcing nicht einfach. Noch offen ist allerdings die Funktionsweise des Safe Harbour Mechanismus und die Höhe des Amount B. Schliesslich wird zwar in der Erklärung des Inclusive Frameworks versichert, dass ein bindender Streitpräventions- und beilegungsmechanismus implementiert werden soll, aber es werden keine Details dazu genannt. Da ohne einen solchen Mechanismus für die betroffenen Konzerne Doppelbesteuerungen des Gewinnes resultieren werden, stellt ein solcher Mechanismus jedoch ein entscheidendes Element für den Erfolg der Reform dar.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a></p>
<p>Aktuell sind also noch viele wesentliche Punkte der Pillar One offen. Die <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> wird in diesem Jahr die detaillierten Regeln, die sogenannten Model Rules zur Pillar One, nach und nach veröffentlichen und zur Konsultation freigeben.</p>
<h3>2.4 Umsetzung in der Schweiz</h3>
<p>Das Statement des Inclusive Frameworks sieht vor, dass zur Umsetzung der Regeln der Pillar One ein neues multilaterales Übereinkommen («<a href="https://www.oecd.org/tax/treaties/multilateral-convention-to-implement-tax-treaty-related-measures-to-prevent-beps.htm" target="_blank" rel="noopener">Multilateral Convention», MLC</a>) entworfen wird, welches bereits im Jahr 2022 von den teilnehmenden Staaten unterschrieben werden soll. Dieses Abkommen soll sämtliche Digitalsteuern und ähnliche Massnahmen abschaffen sowie die Einführung von Amount A erleichtern. Die neuen Regeln sollen dann ab dem Jahr 2023 zur Anwendung gelangen.</p>
<p>Die Schweiz ist Mitglied des Inclusive Frameworks und hat sich – wie erwähnt – der Reform angeschlossen. Sie fordert jedoch, dass bei deren Umsetzung die Interessen kleiner, wirtschaftsstarker Länder berücksichtigt werden und Rechtssicherheit für betroffene Unternehmen geschaffen wird.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup> Klar ist, dass die Schweiz ihre Steuergesetze anpassen muss, um den Markt bzw. Amount A als neuen steuerlichen Anknüpfungspunkt zu erfassen. Amount B benötigt wohl keine Gesetzesänderungen, handelt es sich hierbei doch lediglich um eine Konkretisierung der Höhe einer marktkonformen Abgeltung für gewisse Marketing- und Vertriebsfunktionen. Die Schweiz konnte sich mit ihren Bestrebungen, die Frist zur Einführung notwendiger Massnahmen zur Umsetzung der Reform auf drei Jahre nach Festlegung der definitiven Eckwerte festzusetzen, leider nicht durchsetzen. Aufgrund der komplexen demokratischen Prozesse in der Schweiz wird es jedoch nicht möglich sein, die neuen Regeln auf das von der OECD vorgesehene Jahr 2023 einzuführen. Der Bundesrat hat am 11. März 2022 beschlossen, den Pillar One und den Pillar Two mit einer Verfassungsnorm und mit Übergangsbestimmungen etappenweise per 1. Januar 2024 umzusetzen.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Somit droht den von Pillar One betroffenen Unternehmen in der Schweiz für das Jahr 2023 eine Doppelbesteuerung, sofern kein rückwirkendes Inkrafttreten der Verfassungsnorm Anwendung findet.</p>
<p>Da die Arbeiten der OECD am Pillar One noch nicht gleich weit fortgeschritten sind wie diejenigen am Pillar Two, enthält die nun geplante Verfassungsänderung nur sehr vage Bestimmungen in Bezug auf die Umsetzung des Pillar One. Nichtsdestotrotz hält der erläuternde Bericht des Bundesrates ausdrücklich fest, dass die neue Verfassungsnorm die Grundlage für die Einführung beider Säulen bildet.<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup> Im Wesentlichen soll dem Bund die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften zur Besteuerung von grossen Unternehmensgruppen im Marktstaat gegeben werden, wobei er sich dabei an internationalen Standards und Modellregelungen orientieren soll (vgl. neu zu schaffender Art. 129a BV). Betreffend den Vollzug des Pillar One scheint der Bundesrat die Veranlagungskompetenz eher dem Bund zuweisen zu wollen.<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a> Dies ist für internationale Konzerne, welche in der Schweiz über keine physische Präsenz verfügen, sicher der geeignetste Weg. Dort wo diese Konzerne über Geschäftseinheiten in der Schweiz verfügen, wäre auch eine dezentrale Veranlagung durch die Kantone möglich.</p>
<h3>2.5 Auswirkungen auf die Schweiz und auf Unternehmen mit Sitz in der Schweiz</h3>
<p>Die Verlagerung von Steuerbefugnissen in Marktländer ist für kleine Volkswirtschaften wie die Schweiz mit verhältnismässig wenig Konsumenten eine schlechte Nachricht.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a> Störend am nun vorliegenden Mechanismus ist, dass Gewinne von profitablen Konzerneinheiten/Staaten zu unprofitablen Konzerneinheiten/Staaten fliessen.<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> Eine solche Gewinnallokation macht aber nur Sinn, wenn der Profitabilitätsunterschied tatsächlich auf Steuerumgehung zurückzuführen ist bzw. im Marktstaat tatsächlich eine Wertschöpfung durch die Konsumenten bzw. den Staat stattfindet. Ist jedoch die tiefere Profitabilität darauf zurückzuführen, dass sich im Markt nur tiefere Preise durchsetzen lassen, da der Markt z. B. reguliert ist oder die Konsumenten sensibler auf Preiserhöhungen reagieren oder weil das Wirtschaften im Staat mit höheren Kosten verbunden ist (Regulierungen, Ineffizienzen), ist die Allokation eines zusätzlichen Gewinnes in diese Marktstaaten ökonomisch nicht begründbar.<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a> Sämtliche Schwellen, also der Konzernumsatz der betroffenen Unternehmen, die Definition des Übergewinnes (Gewinn, welcher 10% Umsatzmarge übersteigt) wie auch der Amount A (25% des Übergewinnes) haben keine wissenschaftliche Grundlage und wurden willkürlich im Rahmen eines politischen Prozesses festgelegt. Anstelle der Definition des Umsatzes als Gewinnbasis hätte der Übergewinn ebenso gut in Relation zu den im Staat vorhanden Produktionsfaktoren (Sachanlagen, Personal etc.) verlegt werden können. Bei der Festlegung der Höhe des Übergewinnes wäre korrekterweise ebenfalls zu beachten gewesen, dass die Umsatzrendite je nach Geschäftsmodell und Branche unterschiedlich hoch ausfällt.<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>19</sup></a></p>
<p>Für die betroffenen Konzerne wird es insbesondere wichtig sein, dass die Staaten, in welchen die Übergewinne erzielt werden, auch bereit sind, einen Teil dieser Gewinne an die Marktstaaten abzutreten. Gemäss der Absichtserklärung des Inclusive Frameworks soll auch eine Doppelbesteuerung der Übergewinne vermieden werden. Es ist abzuwarten, ob in der Praxis für die betroffenen Konzerne nicht trotzdem eine teilweise Doppelbesteuerung resultieren wird. Während kleine Staaten die Vermeidung einer Doppelbesteuerung wohl sicherstellen werden, haben Staaten mit einem grossen Gewicht im internationalen Handel und auf den internationalen Kapitalmärkten den Anreiz und die Möglichkeit, eine vollständige Entlastung der Doppelbesteuerung zu verweigern.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>20</sup></a> So haben z.B. die USA, welche ca. 50% der von Pillar One betroffenen Konzerne beheimaten,<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>21</sup></a> einen Anreiz, die Doppelbesteuerung von Konzernen, welche ihren Sitz nicht in den USA haben, nicht vollständig zu vermeiden. Einerseits, um damit höhere Steuern einzunehmen und andererseits, um US-Konzernen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, indem ausländische Konzerne mit quasi mit höheren Steuern belastet werden, weil die USA möglicherweise nicht bereit sein werden, die von ausländischen Konzernen in den USA erzielten Übergewinne an Marktstaaten abzutreten. Als Staat mit einer grossen Marktmacht muss die USA Gegenmassnahmen anderer Staaten weniger fürchten als kleinere Staaten. Ob es tatsächlich so weit kommen wird, hängt davon ab, wie sich die übrigen marktmächtigen Staaten und Staatenbünde verhalten werden. Die Schweiz alleine wird auf das Ergebnis kaum Einfluss nehmen können.</p>
<p>Ausserdem könnten Konzerne mittels buchhalterischen Tricks versuchen, entweder die Umsatzgrenze von 20 Milliarden Euro nicht zu überschreiten oder unter einer Umsatzrendite von 10% zu bleiben, um nicht von Pillar One betroffen zu sein.<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a> Es ist daher zu erwarten, dass auch die Regelwerke der internationalen Rechnungslegungsstandards aufgrund der Reform angepasst werden. Konzerne, welche von Pillar One betroffen sind, könnten zudem versuchen, ihre Konzernsteuerquote zu senken, indem sie weniger Umsätze in Hochsteuerstaaten erzielen, um so den Anteil des in diese Staaten umverteilten Gewinnes zu senken. Insbesondere, wenn in Hochsteuerstaaten trotz hoher Umsätze nur eine tiefe Marge erzielt würde, könnte es sich für die betroffenen Konzerne mit Bezug auf die Gesamtkonzernrendite, also auch aus steuerlicher Sicht lohnen, sich aus diesen Märkten zurückzuziehen, sofern die Zuteilung des Amount A dazu führt, dass der Konzern aufgrund der zusätzlichen Steuern auf Amount A in diesem Markt insgesamt einen Verlust oder eine nicht mehr marktgerechte Rendite erzielt.<sup><a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup></p>
<p>Die Motivation der betroffenen Konzerne ihre Gewinne eher in Tiefsteuer- denn in Hochsteuerstaaten anfallen zu lassen, ändert sich durch Pillar One jedenfalls nicht, da nur ein Teil des Gewinnes auf die Marktstaaten verteilt wird. Der auf die Marktstaaten umverteilte Gewinn ist aber in jedem Falle wesentlich und wird diejenigen Staaten, in welchen Konzerneinheiten mit überdurchschnittlicher Profitabilität angesiedelt sind, empfindlich schmerzen. Je nach Höhe der Konzernprofitabilität wird mit Amount A ein Anteil von 8.3% bis 18.75% der konsolidierten Konzernmarge umverteilt (Annahme die Konzernmarge bewegt sich zwischen 15% und 40%).<sup><a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup></p>
<h2>3. Pillar Two – Globaler Mindeststeuersatz von 15%</h2>
<h3>3.1 Übersicht und betroffene Unternehmen</h3>
<p>Pillar Two sieht auf das Jahr 2024 die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15% für Unternehmensgewinne aller internationaler Konzerne mit einem konsolidierten Konzernumsatz von über 750 Millionen Euro vor.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a> Die Staaten sind jedoch frei, die Mindeststeuer auch auf internationale Konzerne anzuwenden, deren Umsätze unter dieser Umsatzschwelle liegen und deren Hauptsitz in ihrem Staat liegt. In diesem Fall könnte selbst für Konzerne mit einem konsolidierten Umsatz von unter 750 Millionen Euro eine Mindestbesteuerung von 15% gelten. In der Praxis wird es sich weisen müssen, was es für die Unternehmen bedeutet, wenn die Staaten unterschiedliche Umsatzschwellen anwenden. Ausgenommen von der Mindeststeuer sind staatliche Einrichtungen, internationale Organisationen, gemeinnützige Institutionen und Pensionskassen, welche als oberste Konzerngesellschaft eines internationalen Konzerns fungieren, sowie Beteiligungsgesellschaften, Organisationen und Fonds, welche von diesen gehalten werden. In Staaten, in denen ein internationaler Konzern einen Umsatz von unter 10 Millionen Euro und einen Gewinn von unter 1 Million Euro erzielt, soll keine Erhebung einer Ergänzungssteuer erfolgen (De Minimis Exclusion).</p>
<h3>3.2 Funktionsweise</h3>
<h4>3.2.1 Elemente der Mindestbesteuerung</h4>
<p>Die Mindeststeuer soll aus fünf Elementen bestehen, welche am <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">20. Dezember 2021 von der OECD in den Global Anti-Base Erosion Model Rules (Model Rules)</a> detailliert ausgeführt wurden.<sup><a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">26</a></sup></p>
<p>Das erste Element besteht aus einer Einkommenszurechnungsregel («<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/pillar-two-model-rules-in-a-nutshell.pdf" target="_blank" rel="noopener">Income Inclusion Rule», IIR</a>), nach der grundsätzlich eine zusätzliche Steuer, die sogenannte Top Up Tax, erhoben wird, falls die Gewinne der Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten eines Konzerns in einem Staat mit weniger als 15% besteuert werden. Diese Top Up Tax hebt die Besteuerung dieser Konzerneinheiten auf das Mindeststeuerniveau an. Die Top Up Tax soll dabei nach dem Top Down Approach veranlagt werden, sie soll also bei der obersten Konzerngesellschaft veranlagt werden («Ultimate Parent Entity», UPE). Nur wenn im Sitzstaat der UPE keine Top Up Tax nach der <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/pillar-two-model-rules-in-a-nutshell.pdf" target="_blank" rel="noopener">IIR</a> erhoben wird, soll die zusätzliche Steuer von den darunterliegenden Zwischenholdings erhoben werden (Kaskadenregel). Die IIR soll bereits ab 2023 angewendet werden.</p>
<p>Erhebt kein Staat einer UPE oder Zwischenholding die zusätzliche Steuer, soll die Top Up Tax durch die Staaten erhoben werden, in welchen sich die darunterliegenden Konzerneinheiten befinden («Undertaxed Payment Rule», UTPR). Die Top Up Tax wird nach einem vorgegeben Verteilschlüssel zwischen diesen Staaten aufgeteilt. Der Verteilschlüssel beruht auf dem Nettobuchwert der in diesen Staaten gelegenen Sachwerten («tangible Assets») sowie der Anzahl Mitarbeitenden in diesen Staaten. Der Einzug der zusätzlichen Steuer erfolgt mittels Verweigerung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen der lokalen Konzerneinheiten.<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a> Internationale Konzerne, welche erst neu international tätig wurden, also ausländische Sachwerte von weniger als 50 Millionen Euro ausweisen und in nicht mehr als fünf ausländischen Staaten über Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten verfügen, sollen während der ersten fünf Jahre nachdem sie die Umsatzschwelle überschritten haben, nicht unter die UTPR fallen. Haben diese Konzerne die Umsatzschwelle bereits bei Einführung der Mindeststeuer überschritten, so gilt die Fünfjahresfrist ab Einführung der UTPR; diese ist – wie erwähnt – auf 2024 vorgesehen.</p>
<p>In denjenigen Fällen, in denen ein <a href="https://www.sif.admin.ch/sif/de/home/bilateral/steuerabkommen/doppelbesteuerungsabkommen.html" target="_blank" rel="noopener">Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)</a> die Freistellung von Gewinnen von Betriebsstätten vorsieht, können diese DBA mit einer sogenannten «Switch Over Regel» (SOR) ergänzt werden. Diese Regel soll dann sicherstellen, dass der Staat, welcher die zusätzliche Steuer mittels IIR erhebt, die Top Up Tax auf tief besteuerten Gewinnen von Betriebsstätten oder Liegenschaften trotz einer in einem DBA vorgesehenen Freistellungsklausel erheben und auf diese Betriebsstättengewinne zugreifen darf, um die Steuerbelastung auf die Höhe der Mindeststeuer hoch zu setzen. Da die Schweiz diese ausländischen Gewinne in ihren eigenen Steuergesetzen explizit von der Besteuerung ausnimmt, würde eine Übernahme der SOR nicht ausreichen, um diese Gewinne besteuern zu dürfen. Somit müssen zusätzlich die nationalen Steuergesetze angepasst werden, damit die SOR Wirkung entfalten kann.</p>
<p>Die wichtigste Neuerung der am <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">20. Dezember 2021 veröffentlichten Model Rules</a> ist die Möglichkeit, dass ein Staat, in welchem sich Konzerneinheiten mit einer GloBE-ETR von unter 15% befinden, selbst die Top Up Tax erheben darf («Qualified Domestic Minimimum Top Up Tax», QDMTT). Erhebt ein solcher Staat die QDMTT von den betroffenen Konzerneinheiten, darf die Top Up Tax nicht mehr vom ausländischen Fiskus erhoben werden. Voraussetzung dafür ist, dass das lokale Steuergesetz die Erhebung einer solchen Mindeststeuer vorsieht und die Mindeststeuer gemäss den Model Rules ausgestaltet ist. Eine allgemeine Erhöhung des Steuersatzes für sämtliche Unternehmen ist also nicht notwendig, um zu vermeiden, dass inländisches Steuersubstrat ins Ausland fliesst.</p>
<p>Schliesslich soll in den DBA zwischen Entwicklungsländern und Staaten mit einem statutarischen Steuersatz von unter 9% eine «Subject to Tax Rule» (STTR) eingeführt werden können. Die STTR ist auf Lizenzzahlungen, Zinszahlungen und weiteren ähnlichen Zahlungen einer Konzerngesellschaft an einen in einem solchen Tiefsteuerstaat ansässigen Empfänger anwendbar. Besteuert der Staat, in welchem sich der Empfänger befindet, solche Zahlungen mit einem statutarischen Gewinnsteuersatz von unter 9%, so kann ein Entwicklungsland beim Abschluss eines DBA mit diesem Staat verlangen, dass die Differenz, zwischen dem Mindeststeuersatz von 9% und dem tatsächlich vom Empfängerstaat angewendeten Steuersatz, im Entwicklungsland besteuert werden darf. Die zusätzliche Steuer würde analog einer Quellensteuer direkt von der entsprechenden Zahlung abgezogen. Der STTR soll Vorrang vor der Top Up Tax, welche nach der IIR, der UTPR oder der QDMTT erhoben werden kann, eingeräumt werden. Da die statutarischen Gewinnsteuersätze in der Schweiz ab der Umsetzung der <a href="https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/das-efd/gesetzgebung/abstimmungen/staf/fb-steuervorlage17.html" target="_blank" rel="noopener">Steuer und AHV Reform (STAF)</a>, also ab dem 1. Januar 2021, allesamt über 9% liegen, wird die STTR die Schweiz wahrscheinlich nicht betreffen. Die mit der STAF gewährten Übergangsregelungen können aber für gewisse Unternehmen zu einer Besteuerung von unter 9% führen, so dass die Übernahme der STTR in einzelnen DBA trotzdem nicht ausgeschlossen werden kann.</p>
<p>Die <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/pillar-two-model-rules-in-a-nutshell.pdf" target="_blank" rel="noopener">IIR</a> und die UTPR bilden zusammen die «Global anti-Base Erosion Rules» (GloBE Rules). Mitglieder des Inclusive Frameworks, welche sich entscheiden, die Mindestbesteuerung gemäss dem Pillar Two einzuführen, müssen diese beiden Regeln umsetzen und die Anwendung dieser Regeln durch andere Staaten des Inclusive Frameworks akzeptieren («Common Approach»). Dies ist notwendig, um allfällige Doppelbesteuerungen der Konzerngewinne zu vermeiden.</p>
<h4>3.2.2 Berechnung des effektiven Steuersatzes</h4>
<p>Der effektive Steuersatz berechnet sich nicht auf dem Gewinn nach Schweizer Buchführungsrecht (statutarischer Gewinn), sondern knüpft wie erwähnt am Gewinn und am Ertrag nach einem international anerkannten Rechnungslegungsstandard, wie zum Beispiel IFRS oder US-GAAP, an.<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a> Dabei wird berechnet, zu welchem effektiven Steuersatz bzw. zu welcher «GloBE-Effective Tax Rate» (GloBE-ETR) die Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten des Konzerns im jeweiligen Staat insgesamt besteuert werden («jurisdictional Blending»). Die GloBE-ETR berechnet sich als Verhältnis des qualifizierenden Steueraufwandes («Covered Taxes») zum Nettoertrag («GloBE-Income») der lokalen Tochtergesellschaft/Betriebsstätte vor Konsolidierung und vor Steuern. Aus Schweizer Sicht fallen die Gewinn- und Kapitalsteuer, nicht-rückforderbare Quellensteuern auf Zinsen und Lizenzen sowie nicht-rückforderbare Verrechnungssteuern auf Gewinnausschüttungen unter die Covered Taxes.<sup><a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">29</a></sup> Zum Zweck der steuerlichen Gewinnermittlung sind die lokalen Nettoerträge ausserdem um permanente und temporäre Differenzen zwischen den Buch- und Steuerwerten zu korrigieren. Der Mindeststeuersatz von 15% kann somit nicht unmittelbar mit den gesetzlichen Gewinnsteuersätzen verglichen werden.<img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/1tFuF5juHQi905HEv6OFll/cb130dbb0f66493936a1e94f418fdf59/_Band_2-2022_A6_Grafik1.png" alt="Grafik zu GloBE-ETR (eff. Steuersatz) im zsis-Artikel von Adrian Briner zur «Besteuerung der digitalen Wirtschaft»." width="940" height="221" /></p>
<h4>3.2.3 Berechnung des Betrages der Top Up Tax und substanzbasierte Ausnahmen</h4>
<p>Die Top Up Tax wird nur erhoben, wenn die GloBE-ETR in einem Staat unter 15% liegt. Sie berechnet sich dann vereinfacht als Differenz zwischen dem Steuerbetrag, welcher bei einem effektiven Steuersatz von 15% geschuldet wäre (15% multipliziert mit GloBE-Income) und dem Steuerbetrag, welcher tatsächlich erhoben wurde (GloBE-ETR multipliziert mit GloBE-Income).<img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/MnACt265ygASmf9SVXZRD/7dc8764de440265371f42a73ad1145ce/_Band_2-2022_A6_Grafik2.png" alt="Grafik zur Top Up Tax Rate Ergänzungssteuersatz im zsis-Artikel von Adrian Briner zur «Besteuerung der digitalen Wirtschaft»" width="940" height="108" /></p>
<p>Zusätzlich soll der Substanz des Konzerns vor Ort Rechnung getragen werden, indem ein Teil des Gewinnes, je 5% auf dem Buchwert der Sachanlagen und auf dem Personalaufwand, ausschliesslich dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen wird (sogenannte «Substance Carve-Out»). Auf diesem Gewinnanteil wird keine Top Up Tax erhoben. Während einer Übergangsphase von zehn Jahren wird ein höherer Carve-Out von 8% auf dem Buchwert der Sachanlagen und 10% auf dem Personalaufwand zugelassen, wobei sich dieser Wert in den ersten fünf Jahren jeweils jährlich um 0.2% reduziert. Anschliessend beträgt die Reduktion in den letzten fünf Jahren bei den Sachanlagen jährlich 0.4% und beim Personalaufwand jährlich 0.8%.<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30"><sup>30</sup></a> Gewinne, welche auf vor Ort vorhandenen immateriellen Wirtschaftsgütern beruhen, werden jedoch vollständig von der Mindeststeuer erfasst bzw. nicht von den Substance Carve-Outs ausgenommen.</p>
<p>Aufgrund der vorgenannten Substance Carve-Outs führt die Top Up Tax nicht dazu, dass ein Konzern in sämtlichen Staaten mindestens 15% Steuern auf dem GloBE-Income zahlt. Liegt die GloBE-ETR in einem Staat unter 15% und hat der Konzern in diesem Staat Sachanlagen oder Personalaufwand, so wird aufgrund der Substance Carve-Outs ein effektiver Steuersatz von unter 15% in diesem Staat resultieren.<img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/3LeeUrWwqxU6Ybu8D8DQo/5b20dff1d94a5262a08b955a7fcd1943/_Band_2-2022_A6_Grafik3.png" alt="Grafik zum Betrag der Top Up Tax (Ergänzungssteuer) im zsis-Artikel von Adrian Briner «Besteuerung der digitalen Wirtschaft»." width="940" height="155" /></p>
<h4>3.2.4 Gleichberechtigung mit dem US-Mindeststeuerregime</h4>
<p>Schliesslich wird in der Erklärung des Inclusive Frameworks anerkannt, dass das Mindestbesteuerungsregime der USA («US Global Intangible Low-Taxed Income Regime», GILTI-Regime) dem Mindestbesteuerungsregime des Pillar Two gleichwertig ist und die beiden Mindestbesteuerungs-Mechanismen nebeneinander bestehen bleiben sollen. Weitere Ausführungen werden dazu nicht gemacht.</p>
<h3>3.3 Offene Punkte</h3>
<p>Obwohl mit den am <a href="file:///C:/Users/andreameyer/HeadStarterz%20Dropbox/HeadStarterz/Kunden/zsis)/Redaktion/1_Artikel/2022/2204_Briner/Inclusive%20Framework%20on%20BEPS%202021" target="_blank" rel="noopener">20. Dezember 2021 veröffentlichten Model Rules</a> zum Pillar Two viele Punkte geklärt wurden, enthalten diese keine Information zur Koordination der GloBE-Regeln mit den Regeln des <a href="https://www.investopedia.com/global-intangible-low-taxed-income-gilti-definition-5097113" target="_blank" rel="noopener">US GILTI-Regimes</a>. Zwar hat die Biden Administration Änderungen am <a href="https://www.investopedia.com/global-intangible-low-taxed-income-gilti-definition-5097113" target="_blank" rel="noopener">US GILTI-Regime</a> vorgeschlagen, um dieses kompatibel mit den GloBE-Regeln zu machen, so soll unter anderem der Mindeststeuersatz zu welchem Konzerngewinne zu versteuern sind auch im US GILTI-Regime neu pro Staat (jurisdictional blending) und nicht mehr global (global blending) berechnet werden. Diese Änderungen wurden bislang vom US-Kongress allerdings noch nicht angenommen. Ebenfalls geht der nun vorgesehene Substantive Carve-Out des Pillar One weiter als der im US-GILTI-Regime enthaltene Carve-Out, welcher nur Abzüge auf «abschreibbaren Vermögenswerten» zulässt. Die Biden Administration hat hier sogar vorgeschlagen, im US GILTI-Regime ganz auf Substantive Carve-Outs zu verzichten. Zudem soll der US-Mindeststeuersatz gemäss US GILTI-Regime von zurzeit 10.5% auf bis zu 21%, also über den Mindeststeuersatz gemäss Pillar One, steigen.<sup><a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31">31</a></sup> Die USA könnten also ausländische Konzerne höher besteuern als die eigenen Konzerne im Ausland besteuert würden. Eine Gefahr, auf welche bereits oben unter Pillar One hingewiesen wurde. Allerdings ist zurzeit unklar, ob und wann die USA das US GILTI-Regime entsprechend anpassen werden. Der Build Back Better Act, welcher die notwendigen Anpassungen enthielt, wurde bis Ende 2021 noch nicht von der US Legislative angenommen und es ist nicht sicher, ob die notwendigen Anpassungen am US GILTI-Regime vorgenommen werden, damit die parallele Anwendung des US-GILTI Regimes und der GloBE-Rules nicht zu Friktionen führt.<sup><a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32">32</a></sup> Da die USA eine treibende Kraft hinter der nun vorliegenden Reform war und auch erwartet wurde, dass diese den ersten Schritt macht, könnte die festgefahrene US Gesetzgebung bei anderen Staaten zu Zweifeln führen, ob Pillar Two bis 2023 weltweit umgesetzt oder überhaupt verabschiedet wird.</p>
<p>Im Gegensatz zu den USA hat die EU klar kommuniziert, die vom Inclusive Framework beschlossene Reform rasch umzusetzen. Zudem will die EU nicht nur internationale Konzerne, sondern auch rein nationale Unternehmen der Mindestbesteuerung von 15% unterwerfen.<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33"><sup>33</sup></a></p>
<p>Die <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/pillar-two-model-rules-in-a-nutshell.pdf" target="_blank" rel="noopener">GloBE-IIR</a> geht auch weiter als die bisherigen Gewinnanrechnungsregeln für tief besteuerte beherrschte Konzerngesellschaften («Controlled Foreign Entity Rules», CFC-Regeln). Dies trifft insbesondere auf die von der EU im Rahmen der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie («Anti Tax Avoidance Directive», ATAD) eingeführten CFC-Regeln zu. Die IIR, wie sie dem GloBE-Vorschlag zu Grunde liegt, unterscheidet sich von einer klassischen CFC-Regelung insbesondere dadurch, dass sie nicht nur passive, sondern auch aktive Erträge erfasst und die Steuerbelastung nur – aber immerhin – auf ein international anerkanntes Mindestbesteuerungsniveau und nicht etwa auf dasjenige im Staat, wo die Muttergesellschaft steuerlich ansässig ist, hochschleust.<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34"><sup>34</sup></a> Die nun veröffentlichten GloBE-Regeln sehen vor, dass allfällige von der Muttergesellschaft bezahlte CFC-Steuern auf Gewinnen der Tochtergesellschaften sowie auch Zahlungen aufgrund einer STTR für die Zwecke der Bestimmung der Mindestbesteuerung als von den Tochtergesellschaften bezahlte Steuern behandelt werden.<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35"><sup>35</sup></a> Dies ist zu begrüssen und verhindert eine allfällige Doppelbesteuerung dieser Gewinne.</p>
<p>Obwohl in dem im letzten Jahr veröffentlichten Blueprint der OECD ursprünglich vorgesehen war, staatliche Beihilfen bei der Berechnung der Mindeststeuer zu berücksichtigen, äussern sich weder die Model-Rules noch das Statement des Inclusive Frameworks zur Behandlung von Fördermitteln, Subventionen oder Unterstützungsgeldern, mit welchen die Unternehmen für die höheren Steuern von den Staaten «kompensiert» werden könnten. Dies ist jedoch ein Thema, welches unbedingt hätte behandelt werden müssen. Ansonsten ist zu erwarten, dass sich der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten hin zu weniger einfach zu überprüfenden Vergünstigungen für (einzelne) Unternehmen verlagern wird. Teilweise ist dies bereits heute der Fall.</p>
<h3>3.4 Umsetzung in der Schweiz</h3>
<p>Wohl um den Druck auf die teilnehmenden Staaten hoch zu halten, soll die Umsetzung des Pillar Two, wie bereits erwähnt, rasch erfolgen. Ziel des Inclusive Frameworks ist, dass die IIR ab 2023 und die UTPR ab 2024 angewendet werden.<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36"><sup>36</sup></a> Spätestens nach der Einführung der UTPR werden also auch die Gewinne von internationalen Konzernen mit Sitz in der Schweiz und einem jährlichen Konzernumsatz von über 750 Millionen Euro von der Mindeststeuer betroffen sein. Wie erwähnt versuchte die Schweiz eine längere Einführungsfrist zu erwirken, ist damit aber leider gescheitert. Die STTR kann grundsätzlich nur über eine Änderung der bilateralen DBA erfolgen. Damit nicht sämtliche DBA geändert werden müssen, will das Inclusive Framework bis Mitte 2022 ein multilaterales Instrument (MLI) zur Einführung der STTR ausarbeiten. Die einzelnen Staaten können bzw. müssen sich dann diesem MLI anschliessen, so dass eine rasche und einheitliche Umsetzung der STTR gewährleistet ist. Es ist zu erwarten, dass auch die Einführung der SOR über dieses bzw. ein weiteres MLI erfolgen wird.</p>
<h4>3.4.1 <a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70598.pdf" target="_blank" rel="noopener">Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen</a></h4>
<p>Der Bundesrat hat sich entschieden, die Reform umzusetzen. Auch herrscht Konsens, dass die Top Up Tax möglichst in der Schweiz bleiben und nicht ins Ausland fliessen soll. Die kleineren internationalen Unternehmen und Konzerne, welche nicht vom Pillar Two erfasst werden, sollen ausserdem möglichst nicht mit höheren Steuern belastet werden. Unklar war jedoch lange wie diese Ziele erreicht werden sollen. Die Ideen reichten von einer freiwillig von den internationalen Konzernen zu zahlenden Ergänzungssteuer bis zu einer zwingenden Erhöhung des Steuersatzes auf den vom ausländischen Staat akzeptierten minimalen Steuersatz.<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37"><sup>37</sup></a> Dabei war jedoch unsicher, ob eine solche Ergänzungssteuer von den anderen Staaten bei der Bestimmung des Mindeststeuersatzes überhaupt berücksichtigt würde.</p>
<p>Mit den nun veröffentlichten Model-Rules und der Möglichkeit, dass der Tiefsteuerstaat die zusätzliche Steuer mittels der QDMTT selbst erheben darf, ist die Lösung klar. Die Schweiz wird die Mindestbesteuerung inklusive einer QDMTT implementieren. Von dieser QDMTT werden nur internationale Konzerne gemäss der Definition von Pillar Two betroffen sein.<sup><a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38">38</a></sup> Die Umsetzung von Pillar One und Two soll nach dem <a href="https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/das-efd/nsb-news_list.msg-id-87569.html" target="_blank" rel="noopener">Beschluss des Bundesrats vom 11. März 2022</a> mit einer Verfassungsnorm und mit Übergangsbestimmungen etappenweise erfolgen. Er hat den diesbezüglichen Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen als Vorlage in die Vernehmlassung an die Kantone und an interessierte Institutionen gegeben.<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39"><sup>39</sup></a> Zur Vorlage zählt neben einem Entwurf der Änderung der Bundesverfassung (BV) auch ein erläuternder Bericht zum Bundesbeschluss. Der Bundesrat hat sich mit diesem Vorgehen somit für eine verfassungskonforme Lösung entschieden.<sup><a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40">40</a></sup></p>
<h4>3.4.2 Vorgesehene Verfassungsänderung</h4>
<p>Der Entwurf des Bundesrates zur Änderung der Bundesverfassung sieht eine Teilrevision der Bundesverfassung vor. Ein neu geschaffener Art. 129a E-BV mit dem Titel «<a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70598.pdf" target="_blank" rel="noopener">Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen</a>» dient als Grundlage für die Übernahme der beiden Säulen des OECD/G20-Projekts in der Schweiz. Der Bund soll die Kompetenz erhalten, eine besondere Besteuerung grosser Unternehmen zu erlassen. Insbesondere kann er eine Besteuerung im Marktstaat (Pillar One) und eine Mindestbesteuerung (Pillar Two) vorsehen (Art. 129a Abs. 1 E-BV). Er soll sich dabei an internationalen Standards und Modellregelungen orientieren (Art. 129a Abs. 2 E-BV).</p>
<p>Die Verfassungsänderung ist einerseits notwendig, da die Top Up Tax, welche im Beschluss Ergänzungssteuer genannt wird, als neue, zusätzliche Bundessteuer erhoben werden soll. Der Bund soll daher die Möglichkeit erhalten von den in der BV vorgegebenen maximalen Steuersätzen (8.5% für juristische Personen) abzuweichen (Art. 129a Abs. 3 lit. b E-BV). Da zudem grosse Unternehmensgruppen, also solche welche unter den Pillar One oder Two fallen, höher bzw. anders als kleine Unternehmensgruppen und Unternehmen besteuert werden sollen, muss nun die Bundesverfassung dahingehend geändert werden, dass der Bund von den bislang unantastbaren Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abweichen kann (Art. 129a Abs. 3 lit. a E-BV). Ausserdem wird dem Bund mit der Verfassungsänderung das Recht gegeben den Kantonen Steuertarife, Steuersätze und Steuerfreibeträge vorzuschreiben und somit auch in diese bislang von der Steuerharmonisierung ausgenommenen Gebiete einzugreifen (Art. 129a Abs. 3 lit. d E-BV). Schliesslich erhält der Bund die Möglichkeit den Vollzug der neuen Steuern selbst übernehmen bzw. bei einer Veranlagung durch die Kantone den Kantonsanteil daran anders zu regeln (Art. 129a Abs. 3 lit. c E-BV).</p>
<p>Die Übergangsbestimmungen zu Art. 129a E-BV sind in Art. 197 Ziff. 14 E-BV enthalten. Aufgrund dieser Normierungen wird der Bundesrat ermächtigt auf dem Verordnungsweg die nötigen Umsetzungen für ein Inkrafttreten der Mindeststeuer auf den 1. Januar 2024 vorzunehmen. Diese Verordnung soll nur temporär, also bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen, gelten. Die Übergangsbestimmungen enthalten auch die Grundsätze, welche der Bundesrat bei der Ausarbeitung der Verordnung zu beachten hat. Diese orientieren sich an den von der OECD veröffentlichten Model-Rules. Bei der Übersetzung der englischen Begriffe hat sich der Bundesrat weitgehend auf die von der EU in ihrer Übersetzung des Richtlinienentwurfs verwendeten Fachbegriffe gestützt. Dies ist positiv, da sich dadurch die Umsetzung in der Praxis wohl erleichtert.</p>
<p>Die Verfassungsänderung zeigt, wie sehr die Umsetzung der Pillar One und Two die bislang in der Schweiz geltenden Steuerprinzipien und -grundsätze tangiert und in die Souveränität von Bund und Kantonen eingreift. Mit der Vorgabe, dass sich der Bund bei der Umsetzung an internationalen Standards und Modellregelungen orientieren soll, wird wohl erstmalig direkt in der Bundesverfassung auf ausländisches Softlaw verwiesen, welches dynamischen Änderungen unterliegt. Es wird spannend sein zu sehen, wie dieser Verweis in den eidgenössischen Räten ankommt. Immerhin hat sich der Bund an diesen Standards nur zu orientieren, so dass grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung offenbleibt.</p><h4>3.4.3 Zeitplan</h4>
<p>Der vorgesehene Zeitplan zur Umsetzung des Pillar Two ist straff und soll die Umsetzung der Mindeststeuer per 1. Januar 2024 sicherstellen:</p>
<ul>
<li>11. März 2022: Bundesbeschluss über besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen und Vernehmlassung bis 20. April 2022;</li>
<li>Juni 2022: Botschaft des Bundesrates zur Verfassungsänderung;</li>
<li>November/Dezember 2022: Geplante Verabschiedung der Verfassungsänderung in der Wintersession 2022 durch die eidgenössischen Räte;</li>
<li>Juni 2023: Obligatorische Volksabstimmung über die Verfassungsänderung;</li>
<li>Januar 2024: Inkrafttreten der Verfassungsänderung und der Übergangsbestimmungen;</li>
<li>Nach 1. Januar 2024: Nachgelagertes Gesetzgebungsverfahren.</li>
</ul>
<p>Da die UTPR erst per 1. Januar 2024 von den OECD-Staaten angewendet werden soll, ist durch ein Inkrafttreten per 1. Januar 2024 grundsätzlich sichergestellt, dass internationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz im Ausland bis dahin noch keiner zusätzlichen Besteuerung ausgesetzt sind, wenn sie die Mindestbesteuerung in der Schweiz nicht erreichen. Anders sieht es aus für internationale Konzerne mit Sitz im Ausland, welche in der Schweiz Tochtergesellschaften haben. Wenn der Sitzstaat eines solchen Konzerns bereits per 1. Januar 2023 die IIR eingeführt hat, kann dieser Staat die bei ihm ansässige Konzernobergesellschaft (UPE) höher besteuern, wenn die Mindestbesteuerung in der Schweiz nicht erreicht wird. Damit würde die Schweiz zumindest im Jahr 2023 Steuersubstrat ins Ausland abgeben. Je nach Vernehmlassungsergebnis könnte daher eine rückwirkende Anwendung der Mindestbesteuerung in der Schweiz nochmals geprüft werden.</p>
<h4>3.4.4 Eckwerte der Umsetzung in der Schweiz</h4>
<p>Der Bundesrat will sämtliche Instrumente der Mindeststeuer einführen. Dies bedeutet, dass sowohl die QDMTT, die IIR und die UTPR eingeführt werden sollen. Da die Schweizerischen DBAs zudem ausländische Betriebsstättengewinne von einer Besteuerung in der Schweiz ausnehmen, soll auch die SOR mit den DBA-Staaten eingeführt werden. Eine generelle Erhöhung der Steuersätze für sämtliche Unternehmen steht für den Bundesrat nicht zur Diskussion. Kleine und rein nationale Unternehmensgruppen, sollen nicht von der Mindeststeuer betroffen sein. Da gemäss der OECD der Staat in welcher sich die UPE befindet für die Anwendung der IIR eine tiefere Umsatzschwelle als den weltweiten Jahresumsatz von 750 Millionen Euro vorsehen kann, können davon auch Schweizerische Geschäftseinheiten eines internationalen Konzerns mit einem Umsatz von unter 750 Millionen von der Mindeststeuer betroffen sein. In diesen Fällen könnte der Bundesrat im Rahmen der Verordnung diesen tieferen Umsatzschwellen Rechnung tragen und die betroffenen Geschäftseinheiten in der Schweiz der QDMTT unterstellen (Art. 129a Abs. 4 E-BV).</p>
<p>Die Top Up Tax soll auf Wunsch der Kantone und betroffenen Wirtschaftskreise dezentral durch den Kanton veranlagt und eingezogen werden, in dem die Konzerneinheit steuerlich zugehörig ist (Art. 197 Ziff. 14 Abs. 2 lit. k E-BV). Sind in einem Konzern mehrere Konzerneinheiten in der Schweiz mit Ansässigkeit in unterschiedlichen Kantonen betroffen, ist es denkbar, dass ein Leadkanton definiert wird. Da es sich bei der Top Up Tax um eine Bundessteuer handelt, untersteht der Vollzug durch die Kantone der Aufsicht des Bundes (ESTV; Art. 197 Ziff. 14 Abs. 5 E-BV). Die einheitliche Anwendung der Regelungen unter den Kantonen wird damit gewährleistet.</p>
<p>Die Einnahmen aus der Top Up Tax stehen den Kantonen zu, welche einen effektiven Steuersatz haben, der unter der Höhe der Mindeststeuer liegt. Diese Mehreinnahmen werden im Rahmen des <a href="https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/finanzpolitik/nationaler-finanzausgleich.html" target="_blank" rel="noopener">nationalen Finanzausgleichs (NFA)</a> als zusätzliche Steuereinnahmen berücksichtigt (Art. 197 Ziff. 14. Abs. 6 E-BV). Damit bleibt der interkantonale Steuerwettbewerb im Rahmen des Möglichen erhalten und es besteht weiterhin Anreiz für die Kantone, wettbewerbsfähige Steuerbelastungen anzubieten.<sup><a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41">41</a></sup> Da vor allem Tiefsteuerkantone von den negativen Auswirkungen der Mindestbesteuerung betroffen sein werden, erscheint es sinnvoll, dass diese Kantone die Mehreinnahmen erhalten sollen. Damit können diese Kantone souverän entscheiden, ob Sie Standortmassnahmen ergreifen und welche Massnahmen dies sein werden. Die Kantone sollen vom Bund hierzu keine Vorgaben erhalten. Allerdings haben die Kantone gemäss Ausführungen in den Erläuterungen zur Vorlage Mühe geeignete Standortmassnahmen zu konzipieren. Zu unterschiedlich sind die von der Mindestbesteuerung betroffenen Unternehmen. Zusätzlich haben die Abstimmungen über die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) sowie über die Abschaffung der Emissionsabgabe gezeigt, dass die politische Akzeptanz für Standortförderungen von Unternehmen umstritten ist.</p>
<p>Die Umsetzung des Pillar Two wird auf Stufe des Bundes zu Mehraufwand führen. Da zusätzliches Personal zur Aufsicht des Vollzugs in den Kantonen benötigt wird und neue IT-Systeme eingeführt bzw. die bestehenden angepasst werden müssen. Der Bundesrat wird daher, trotz der in den Übergangsbestimmungen vorgesehenen Zuweisung der Mehreinnahmen an die Kantone, in seiner Botschaft eine Beteiligung des Bundes an den Mehreinnahmen, eine kostenneutrale Ausgestaltung für den Bund und weitere Alternativen evaluieren.</p>
<h3>3.5 Auswirkungen auf die Schweiz und Unternehmen mit Sitz in der Schweiz</h3>
<p>Durch den Pillar Two bzw. die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer wird der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten nicht ausgeschaltet. Es haben aber genügend Staaten zugestimmt, die Reform umzusetzen, damit die für das Funktionieren der GloBE Rules notwendige kritische Masse erreicht wird. Diese kritische Masse an Staaten sowie die clevere Konzeption der GloBE Rules bewirken, dass es sich für jeden Staat – unabhängig davon, ob er die GloBE Rules umsetzen wird oder nicht – lohnt, die zusätzliche Steuer selbst zu erheben. Der internationale Steuerwettbewerb wird dadurch aber nicht ausgeschaltet.<sup><a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42">42</a></sup> Die drei Gründe dafür liegen im nun möglichen QDMTT: Erstens kann ein Staat nun den Gewinnsteuersatz für sämtliche Unternehmen senken, ohne dass Steuersubstrat von internationalen Konzernen ins Ausland fliesst. Zweitens handelt es sich bei der QDMTT um eine zusätzliche Steuer, welche dazu führt, dass selbst bei einem statutarischen Gewinnsteuersatz von 0% eine Ergänzungssteuer auf Gewinnen von internationalen Konzernen von rund 15% erhoben wird (ohne Beachtung von Substance Carve-Outs). Schliesslich betrifft die Ergänzungssteuer nur internationale Konzerne mit einem konsolidierten Konzernumsatz von über 750 Millionen Euro, so dass es sich für die Staaten weiterhin lohnt, mit tieferen Steuersätzen um Investitionen von Unternehmen und Konzernen zu wetteifern, welche nicht vom Pillar Two erfasst sind. Daneben ist weiter zu beachten, dass der Mindeststeuersatz nicht 15% beträgt, sondern 15% abzüglich der Steuersatzminderung durch die Substance Based Carve-Outs. Das heisst, dass der Teil des Gewinnes, welcher dem Sachanlagevermögen und dem Personalaufwand zugewiesen wird, auch bei international tätigen Konzernen weiterhin einem tieferen Steuersatz unterliegen darf.</p>
<p>Auch der interkantonale Steuerwettbewerb bleibt durch die vom Bundesrat vorgesehene Umsetzung der Mindestbesteuerung bestehen. Für internationale Konzerne mit mehreren Geschäftseinheiten in der Schweiz bleibt das Ausnutzen kantonaler Gewinnsteuersätze, welche unter dem Mindeststeuersatz liegen sinnvoll, solange der durchschnittliche über alle Geschäftseinheiten in der Schweiz getragene Steuersatz über dem Mindeststeuersatz liegt und damit bis auf diesen gesenkt werden kann. Da die Mindeststeuer von den Kantonen veranlagt und auch diesen zukommen soll, wird dies dazu führen, dass sich für betroffene grosse, multinationale Konzerne, welche in der Schweiz eine durchschnittliche Gewinnsteuerbelastung haben, die unter der Mindeststeuer liegt, die Steuersätze in der Schweiz angleichen werden. Für nicht betroffene kleinere multinationale Konzerne und rein nationale Unternehmensgruppen und Unternehmen bleiben die Gewinnsteuersätze unverändert.</p>
<p>Da staatliche Zuschüsse, Vergünstigungen und Subventionen nicht mit den GloBE-Regeln erfasst werden, ist leider zu befürchten, dass sich der Standortwettbewerb zwischen den Staaten vermehrt auf diese Gebiete verlagern wird. Auch in der Schweiz wurden diesbezüglich von Seiten der Wirtschaftsverbände Swissholdings und Economiesuisse entsprechende Vorschläge gemacht. Bundesrat Ueli Maurer hat diesen Vorschlägen zwar auf Anfrage eine Absage erteilt,<sup><a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43">43</a></sup> aber die am am <a href="https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-86783.html" target="_blank" rel="noopener">13. Januar 2022 veröffentlichte Medienmitteilung</a> lässt erahnen, dass Zuschüsse und Subventionen von den Kantonen als gezielte Massnahmen betrachtet werden könnten, um weiterhin für internationale Unternehmen attraktiv zu bleiben. Neue Zuschüsse und Subventionen wären jedoch eine schlechte Entwicklung, da ein tiefer Steuersatz, gute Rahmenbedingungen und eine effiziente Administration ein besseres Kosten-Nutzen Verhältnis ausweisen, als Subventionen, welche eher lobbystarken Branchen und einzelnen Unternehmen zu Gute kommen.</p>
<p>Es ist zu erwarten, dass der Druck auf die Gewinnsteuern in den nächsten Jahren weiterhin zunehmen wird. Sobald die <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> Steuerreform von den Staaten umgesetzt worden ist, besteht die Gefahr, dass die mit den Pillar One und Two eingeführten, Umsatzgrenzen gesenkt und die Höhe der nun beschlossenen Mindestbesteuerung erhöht werden. Die zukünftigen Möglichkeiten bei den Gewinnsteuern sind somit beschränkt. Aus diesem Grund könnte es sinnvoll sein, mittels allfälliger Mehreinnahmen aus der Mindestbesteuerung die Attraktivität der Schweiz für natürliche Personen zu steigern. So könnten beispielsweise die Lohnnebenkosten, die Einkommenssteuern und Vermögenssteuern gesenkt werden. Auch die Förderung von internationalen Schulen oder Kinderbetreuungsplätzen, welche nicht nur bestimmten Unternehmen zugutekommen, würden zur Attraktivität des Standorts Schweiz beitragen ohne einzelne Branchen oder Unternehmen zu bevorteilen. Zudem stände der Zuzug von qualifizierten Mitarbeitenden in Übereinstimmung mit der von der <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> geforderten Substanz der Unternehmen vor Ort. Die nun vorgestellte Änderung der Bundesverfassung gibt den Kantonen die Möglichkeit hierzu, denn die Entscheidung über den Einsatz allfällig zusätzlich erhaltener Mittel aus der Mindestbesteuerung wird den Kantonen überlassen.</p>
<p>Für internationale Konzerne, welche ihren Sitz in der Schweiz haben und von der Mindeststeuer betroffen sein werden, wird es wichtig sein, dass die Schweiz die GloBE-Regeln vollumfänglich anwendet. Eine allfällige Top Up Tax wird dann am Konzernhauptsitz erhoben. Dies ist für diese Konzerne einfacher als eine UTPR, welche in vielen Staaten separat erhoben würde. Zudem können die Deklarationsvorschriften in diesem Fall vollständig vom Konzernhauptsitz übernommen werden.<sup><a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44">44</a></sup> Aus diesem Grunde ist es zu begrüssen, dass der Bundesrat den Pillar Two vollumfänglich und in Übereinstimmung mit den Model-Rules umsetzen will.</p>
<h2>4. Fazit</h2>
<p>Die vom Inclusive Framework angenommene Reform ist historisch und wird die Besteuerung der grossen internationalen Konzerne massgeblich verändern. Der Zeitplan zur Umsetzung ist zwar ambitioniert, aber die Staaten der <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> haben bereits bei der Umsetzung des BEPS-Projekts gezeigt, dass sie in der Lage sind, Steuerreformen rasch einzuführen. Trotz des festgefahrenen Gesetzgebungsprozesses in den USA ist eine rasche Umsetzung der Reform zu erwarten – wenn nicht auf 2023, dann ein oder zwei Jahre später. Der Grund dafür liegt sowohl in den vergangenen (Finanzkrise) und den aktuellen (Covid-19) hohen Staatsausgaben, als auch den zukünftigen Finanzierungsbedürfnissen der Staaten im Zusammenhang mit der Transformation zu einer grünen Wirtschaft («Green Deal»).<sup><a title="" href="#_ftn45" name="_ftnref45">45</a></sup></p>
<p>Die Schweiz als kleiner Staat und Sitz vieler internationaler Konzerne kann sich einer Umsetzung dieser Reform nicht entziehen. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Schweiz die Reform schlank und im Einklang mit ihrer föderalistischen Kultur umsetzt. Es daher zu begrüssen, dass die nun vorgesehene Änderung der Bundesverfassung die Steuerhoheit über die Ergänzungssteuer bei den Kantonen lässt. Aufgrund der Möglichkeit, die zusätzliche Steuer selbst einzutreiben, wird die Schweiz zumindest kurzfristig wohl höhere Steuereinnahmen erhalten. Damit könnten andere Massnahmen finanziert werden, um die aus den gestiegenen Unternehmenssteuern resultierenden negativen Folgen für den Unternehmensstandort zu kompensieren. Allerdings ist zu beachten, dass diesen zusätzlichen Steuereinnahmen bei den Kantonen und Gemeinden – es werden jährlich Mehreinnahmen von 1 – 2.5 Milliarden Schweizer Franken erwartet – zusätzliche Kosten der Umsetzung bei Bund und Kantonen entgegenstehen. Aufgrund von Verhaltensanpassungen der internationalen Konzerne ist zudem zu erwarten, dass die Mehreinnahmen mit der Zeit sinken werden. Verlagern in der Schweiz operierende Unternehmen ihre Produktionsstätten ins Ausland, unterlassen sie deren Ausbau bzw. Ersatzinvestitionen oder siedeln sie erst gar nicht in der Schweiz an, hat dies nicht nur einen Effekt auf die Gewinnsteuern, sondern wirkt sich auch negativ auf die Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen sowie Einnahmen aus weiteren Steuern (insbesondere Einkommens-, Mehrwert- und Kapitalsteuer) aus.<sup><a title="" href="#_ftn46" name="_ftnref46">46</a></sup></p>
<p>Für die betroffenen internationalen Konzerne mit Sitz oder Konzerneinheiten in der Schweiz wird zudem nicht mehr der handelsrechtlich ausgewiesene Gewinn nach Steuern, sondern der nach einem internationalen Rechnungslegungswerk berechnete Gewinn vor Steuern, (teilweise) massgebend für die Berechnung der Steuern sein. Ein Teil der Steuerbemessungsgrundlage wird also durch die privaten Rechnungslegungsorganisationen vorgegeben werden. Es ist daher zu begrüssen, dass das Volk über diese Kompetenzdelegation das letzte Wort haben wird. Für die Unternehmen jedenfalls wird es wichtig sein, dass die Staaten temporäre Differenzen zwischen Buch- und Steuerwerten berücksichtigen und Erträge nicht doppelt besteuert werden. Ein rascher Streitpräventions-und Streitbeilegungsmechanismus wäre für die Unternehmen äusserst wichtig. Es ist abzusehen, dass sich für die betroffenen Unternehmen der Aufwand, die Steuervorschriften einzuhalten, weiter erhöhen wird. Dies nachdem sich dieser bereits in den Vorjahren laufend erhöht hat.<sup><a title="" href="#_ftn47" name="_ftnref47">47</a></sup></p>
<p>Andererseits ging die Reform vielen Staaten noch zu wenig weit und wird von diesen nur als Zwischenlösung angesehen.<a title="" href="#_ftn48" name="_ftnref48"><sup>48</sup></a> Die Stellschrauben, an welchen nach Einführung der Reform gedreht werden könnten, sind jedenfalls klar: Senkung der qualifizierenden Konzernumsätze und Umsatzmargen, Erhöhung des Amount A und Erhöhung des globalen Mindestbesteuerungssatzes. Da die vorgenannten Beträge nicht auf einer wissenschaftlichen Basis, sondern auf einem politischen Kompromiss beruhen, werden die politischen Machtverhältnisse unter den Staaten bei einer zukünftigen Anpassung dieser Werte massgebend sein.</p>
<p>Die grosse Unbekannte sind momentan die USA. Falls die USA die Reform nicht oder nicht vollständig umsetzen, könnte einerseits die Reform als Ganzes fallen oder – was wahrscheinlicher ist – die von den Reformen betroffenen Konzerne könnten Gefahr laufen, doppelt besteuert zu werden. Falls dies von den übrigen Staaten hingenommen würde, könnten Konzerne mit Sitz ausserhalb den USA dadurch einen Wettbewerbsnachteil erleiden.</p>
<p>Eine Anpassung der beinahe hundertjährigen internationalen Besteuerungsregeln an die heutige Situation war sicherlich notwendig. Aber die nun vorgestellte Reform ist eine zu komplexe<a title="" href="#_ftn49" name="_ftnref49"><sup>49</sup></a> und dadurch eine für die Unternehmen zu teure Reform, bei welcher ausserdem nicht klar ist, ob in der Summe und unter Berücksichtigung der Gegenmassnahmen der Staaten, wie Senkung übriger Abgaben oder Gewährung zusätzlicher Subventionen, überhaupt mehr Einnahmen generiert werden.<sup><a title="" href="#_ftn50" name="_ftnref50">50</a></sup></p>
<p>Falls trotzdem höhere Steuererträge resultieren ist zu bedenken, dass diese nicht von den Unternehmen selbst, sondern von deren Aktionärinnen, Arbeitnehmenden oder den Konsumenten getragen werden.</p></article>
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