<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>Die Schweiz kennt für Privatpersonen eine Vermögenssteuer. Erhoben wird sie auf dem Reinvermögen (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_13" target="_blank" rel="noopener">Art. 13 StHG</a>). Die Bewertung des Vermögens orientiert sich nach dem Verkehrswert (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_14" target="_blank" rel="noopener">Art. 14 Abs. 1 StHG</a>).</p>
<p>Der Vermögenswert von kotierten Aktien bemisst sich anhand des Börsenwertes. Bei nicht kotierten Aktien fehlen regelmässig Anhaltspunkte, die eine Bewertung der Aktien zum Verkehrswert zulassen. Mangels eines verfügbaren Wertes ist der Verkehrswert anhand von Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, die eine möglichst genaue Verkehrswertermittlung zulassen. Die Schweizerische Steuerkonferenz hat hierzu ein Kreisschreiben, das SSK-KS 28<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup>, verfasst. Zu diesem Kreisschreiben existiert ferner ein Kommentar, welcher die Vorgaben im Kreisschreiben weiter ausführt.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup></p>
<p>Das SSK-KS 28 hält fest, dass der Verkehrswert von nicht kotierten Wertpapieren, für die keine Kursnotierungen bekannt sind, dem inneren Wert entspricht. Davon abweichend bestimmt sich der steuerlich massgebende Verkehrswert nach dem Kaufpreis, sofern die Titel unter Dritten gehandelt werden.<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup> Ein Handel unter Dritten liegt nach der SSK-KS 28 auch dann vor, wenn Investor:innen anlässlich einer Kapitalrunde Beteiligungsrechte zeichnen.</p>
<p>Bei Start-up-Unternehmen hat diese Bewertungspraxis mitunter zu grotesken Situationen geführt. Wird der von den Investor:innen bezahlte Emissionspreis für die Aktien als Grundlage für die Aktienbewertung herangezogen, kann dies eine sehr hohe und regelmässig finanziell kaum zu finanzierende Vermögenssteuerbelastung der Gründer:innen zur Folge haben. Die Verwaltungspraxis hat diese Problematik erkannt und bewertet die Beteiligungsrechte von Start-up-Unternehmen nach der Substanzwertmethode.<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup></p>
<p>Die pauschale Anwendung der Substanzwertmethode reduziert diese Steuerbelastung erheblich. Mit Blick auf Unternehmen, die sich in einer den Start-up-Unternehmen vergleichbaren Situationen befinden, stellt sich die Frage, ob die Abgrenzung von Start-ups zu solchen Unternehmen gerechtfertigt ist. Denn gemäss dem im Steuerrecht geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu besteuern.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup></p>
<p>Nach der hier vertretenen Auffassung ist die pauschale, schematische<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> Verweigerung der Start-up Bewertung auf Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, nicht gerechtfertigt.</p>
<h2>2. Bestimmung des Verkehrswertes von nicht kotierten Beteiligungen</h2>
<p>Die Ausgangslage für die Bewertung von nicht kotierten Beteiligungen bildet <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_14" target="_blank" rel="noopener">Art. 14 Abs. 1 StHG</a>. Danach sind die Vermögenswerte zum Verkehrswert zu bewerten. Was unter dem Verkehrswert zu verstehen ist, und wie dieser zu ermitteln ist, legt das Gesetz nicht fest.</p>
<p>Für die Rechtsanwendung hat dies zur Folge, dass die Bewertung für die Vermögenssteuer sich nach dem Verkehrswert zu orientieren hat. Das Bundesgericht schliesst aus der gesetzlichen Konzeption, dass den rechtsanwendenden Behörden ein grosser Ermessenspielraum bei der Verkehrswertbestimmung eingeräumt wird.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup></p>
<p>Die Rechtsprechung definiert den Verkehrswert als den objektiven Marktwert des Vermögensgegenstandes. Letzterer entspricht dem Preis, der im Geschäftsverkehr für die Veräusserung mutmasslich erzielt werden könnte bzw. dem Preis, den ein Dritter zu zahlen bereit wäre.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> Aus der Umschreibung des Bundesgerichts wird ersichtlich, dass die Verkehrswertbestimmung keine mathematisch genaue Berechnung ist.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup></p>
<p>Die kantonale Steuerkonferenz hat im SSK-KS 28 eine Anleitung zur Bewertung von nicht kotierten Beteiligungsrechten erlassen. Das SSK-KS 28 ist kein Bundesrecht, sondern eine Verwaltungsverordnung. Sie richtet sich an die Beamt:innen mit dem Ziel, eine einheitliche Anwendung des Steuerrechts zu ermöglichen. Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung das SSK-KS 28 als eine zuverlässige Methode zur Bestimmung des Verkehrswertes gewertet. Ungeachtet dessen verlangt die Rechtsgleichheit weiterhin eine einheitliche Anwendung des Gesetzes. Vom SSK-KS 28 kann denn auch abgewichen werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung erfolgt eine Abweichung allerdings nur, wenn die Besonderheiten des Einzelfalles dies gebieten oder eine bessere Erkenntnis des Verkehrswertbegriffes vorliegt.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup></p>
<p>Im SSK-KS 28 der Schweizerischen Steuerkonferenz wird die Bewertung von nicht kotierten Wertschriften näher ausgeführt. Das SSK-KS 28 legt eine Kaskadenordnung fest: Grundsätzlich ist bei nicht kotierten Wertschriften, die gehandelt werden, auf den letzten verfügbaren Kurs abzustellen. Ein «Handel» liegt auch dann vor, wenn Beteiligungsrechte anlässlich einer Kapitalerhöhung gezeichnet werden.<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup> Liegt kein Handel vor, ist der Wert nach dem sogenannten inneren Wert der Wertschriften zu bestimmen. Dieser entspricht regelmässig dem arithmetischen Mittel aus dem doppelt gewichteten Ertragswert und dem einfach gewichtetem Substanzwert.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup></p>
<h2>3. Vorliegen eines Transaktionspreises anlässlich der Gründung oder bei einer Kapitalerhöhung</h2>
<p>Von der allgemeinen Bewertungsrichtlinie des SSK-KS 28 kann abgewichen werden, wenn eine massgebliche Transaktion unter unabhängigen Personen vorliegt.<sup><a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup> Unter einer Transaktion ist einerseits eine Handänderung zu verstehen, mithin der Verkauf bzw. Kauf von Wertpapieren. Der Transaktionsbegriff des SSK-KS 28 erfasst andererseits jede Art von Handänderung. Darunter fallen unter anderem auch Kapitalerhöhungen.<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup></p>
<p>Beteiligen sich Drittpersonen an einer Kapitalgesellschaft mittels einer Kapitalerhöhung, kann der von den Investor:innen bezahlte Preis für die gezeichneten Wertschriften massgebend sein für die Bewertung der Beteiligungsrechte. Dies wird üblicherweise dann angenommen, wenn die Investor:innen Dritte sind und die Transaktion als massgeblich eingestuft werden kann. Die Massgeblichkeit wird in quantitativer Hinsicht regelmässig bejaht, wenn das Transaktionsvolumen 10% oder mehr der ausgegebenen Beteiligungsrechte ausmacht.<sup><a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup></p>
<p>Diese Praxis hat zur Folge, dass der von den Investor:innen bezahlte Preis pro Beteiligungsrecht als Grundlage für die Bestimmung des Vermögenssteuerwert der Wertschriften herangezogen wird. Mitunter können sich unter gewissen Umständen schwerwiegende und finanziell kaum zu tragende Vermögenssteuerfolgen ergeben.<sup><a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a></sup> Verschiedene kantonale Steuergesetze kennen Bestimmungen zur Begrenzung der Vermögenssteuer, sollte diese im Vergleich zum steuerbaren Einkommen eine gesetzlich vorbestimmte Grenze überschreiten.<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> In den Kantonen, welche eine solche gesetzlich festgelegte Begrenzung der Vermögenssteuer nicht kennen, muss im Einzelfall geprüft werden, ob eine im Vergleich zum steuerbaren Einkommen übermässige Vermögenssteuerbelastung vorliegt. In diesen Kantonen bildet die verfassungsmässige Eigentumsgarantie die Grenze der zulässigen Vermögenssteuerbelastung.<sup><a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup></p>
<p>Für Start-up-Unternehmen gelten vorteilhafte Bewertungsrichtlinien. Sie werden nach der Substanzwertmethode bewertet. Dies hat zur Folge, dass der von Investor:innen bezahlte Transaktionspreis nicht als Grundlage zur Bewertung der Beteiligungsrechte herangezogen wird. Demgegenüber gelten für alle anderen Unternehmen die üblichen Bewertungsbestimmungen.<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup></p>
<p>Die Steuerverwaltung Zürich umschreibt Start-ups als Kapitalgesellschaften mit einem innovativen (üblicherweise technologiegetriebenen) und skalierbaren Geschäftsmodell.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup> Sie behalten diese Qualifikation bis zum Erreichen von sog. repräsentativen Geschäftsergebnisse. Die Praxis zeigt, dass (ehemalige) Start-up-Unternehmen auch bei Erzielen von sog. repräsentativen Geschäftsergebnissen weiterhin auf die Finanzhilfe von Investor:innen angewiesen sind. Der Grund liegt oft im hohen Personalaufwand für die Informatik und für den Vertrieb.</p>
<p>Die Grundlage für den Zeichnungspreis neuer Aktien an Start-ups bilden der Businessplan, Dieser beschreibt das Produkt, den Markt, die (möglichen) Konkurrenten und die Verwendung der Gelder. Der Preis für die im Zuge der Kapitalerhöhung zu zeichnenden Aktien basiert auf der Beschreibung einer möglichen Zukunft. Die zeichnenden Investor:innen erhoffen sich diese Zukunft. Der Zeichnungspreis entspricht folglich nicht dem gegenwärtigen Marktwert der Beteiligungsrechte, sondern ist eine «Wette» auf die künftige, mögliche Wertentwicklung.<sup><a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup></p>
<p>Ähnliches gilt für Kapitalgesellschaften, die mittels einer oder mehrerer Kapitalrunden neues Kapital beschaffen. Der Grund für die Kapitalbeschaffung kann vielerlei sein: Ausbau des bestehenden Geschäfts, Finanzierung der Forschung und Entwicklung, Finanzierung von Werbung und Marketing, Stärkung des Eigenkapitals aufgrund gesetzlicher oder regulatorischer Vorgaben, etc. Je nach Konstellation ist es möglich, den Marktwert der zu zeichnenden Aktien auf der Basis eines bestehenden Marktwertes der Gesellschaft zuzüglich des zu schaffenden Kapitals zu berechnen. Demgegenüber ist es ebenfalls möglich, dass der bezahlte Zeichnungspreis – wie bei einem Start-up – gestützt auf einem Businessplan erfolgt, der eine mögliche Zukunft darstellt. In diesem Fall hoffen die Investor:innen auf eine möglichst positive Wertentwicklung. Folglich entspricht der von ihnen bezahlte Preis für die neu ausgegebenen Beteiligungsrechte nicht dem Marktwert.</p>
<h2>4. Schutzmechanismen von Investor:innen bei Gründungen oder Kapitalerhöhungen</h2>
<p>Bei Gründungen oder späteren Kapitalerhöhungen von Start-up-Unternehmen und sonstigen Kapitalgesellschaften zeichnen die Investor:innen meist eine Minderheitsbeteiligung. In der Folge sind sie gemäss dem geltenden Aktienrecht in ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung gegenüber der Person oder den Personen, welche die Mehrheit der Aktien hält, benachteiligt. Das Aktienrecht und das Vertragsrecht bieten verschiedene Möglichkeiten an, die Investition der Minderheitsaktionär:innen vor einer zweckentfremdenden Verwendung zu schützen. Die gemeinhin bekannten Mechanismen bei Start-up-Unternehmen oder generell von Kapitalgesellschaften lassen sich wie folgt einteilen:</p>
<ul type="disc">
<li>Statutarische Massnahmen: Die statutarischen Massnahmen bestehen regelmässig in der Einräumung von Vorzugsaktien zu Gunsten der Investor:innen, welche diesen Vorrechte mit Bezug auf Dividenden<sup><a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a></sup> und den Liquidationserlös bis zur Höhe der getätigten Investition geben.<sup><a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup></li>
<li>Vertragliche Massnamen: Die vertragliche Absicherung sieht üblicherweise die Vorhand- und Vorkaufsrechte sowie die Mitverkaufsverpflichtungen der übrigen Aktionär:innen vor. Darüber hinaus regeln die Aktionärsbindungsverträge das Stimmverhalten in der Generalversammlung oder auch im Verwaltungsrat.<sup><a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup></li>
<li>Vertretung im Verwaltungsrat: Investor:innen behalten sich regelmässig vor, mit einer Vertrauensperson im Verwaltungsrat vertreten zu sein.</li>
</ul>
<p>Die statutarischen und vertraglichen Massnahmen haben zur Folge, dass die Unternehmer:innen ihre Beteiligungsrechte nicht veräussern können, weil der unterzeichnete Aktionärsbindungsvertrag dies untersagt oder eine faktische Unverkäuflichkeit vorliegt.<sup><a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">25</a></sup></p>
<p>Die Investor:innen nehmen meist keinen Einfluss auf die unternehmerischen Aufgaben. Dafür besteht auch kein Interesse. Die unternehmerischen Aufgaben übernehmen die Unternehmer:innen oder das Management der Gesellschaft.</p>
<h2>5. Ungleichbehandlung in der Bewertung von Beteiligungsrechten</h2>
<p>Nach der Praxis der Steuerkonferenz ist die vorteilhafte Bewertung zum Substanzwert für Start-up-Unternehmen so lange zu gewähren, als das Unternehmen keine repräsentativen Geschäftsergebnisse erzielt. Liegen repräsentative Geschäftsergebnisse vor, geht die Praxis davon aus, dass die Gründungs- und Aufbauphase abgeschlossen ist. In der Folge wird nebst dem Substanzwert der gewichtete Ertragswert mitberücksichtigt. Dies gilt allerdings nur so lange, als keine massgebliche Handänderung oder eine Finanzierungsrunde bzw. Kapitalerhöhung stattfindet. Im Grundsatz wird der Preis, der für die Beteiligungsrechte im Zuge eines Verkaufs oder einer Finanzierungsrunde bzw. einer Kapitalerhöhung bezahlt wird, dem steuerlichen Verkehrswert gleichgestellt. In der Folge wechselt für die Unternehmer:innen die Vermögenssteuerlast.</p>
<p>Nimmt das Unternehmen weitere Kapitalrunden vor, sichern sich die Investor:innen ihre Investition regelmässig weiterhin ab. Start-up Unternehmer:innen, die eine vorteilhafte Vermögenssteuer genossen, sehen sich nach den ersten repräsentativen Geschäftsergebnissen bei weiteren Kapitalrunden regelmässig mit einer ungleich höheren Vermögenssteuerlast konfrontiert.</p>
<p>Das SSK-KS 28 begründet die Anwendung der Substanzwertmethode bei Start-up-Unternehmen mit den hohen Bewertungsunsicherheiten.<sup><a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">26</a></sup> Die Annahme hoher Bewertungsunsicherheiten unterstellt aber, dass das SSK-KS 28 keine genauen Vorgaben zur Bewertung von Beteiligungsrechten an nicht kotierten Gesellschaften kennt. Das SSK-KS 28 lässt kein Spielraum zu und gibt sehr genaue Bewertungsvorgaben. Ziel und Zweck dieses SSK-KS 28 ist es eben gerade eine Kaskadenordnung festzulegen, so dass Bewertungsschwierigkeiten gar nicht aufkommen. Folgt man der Bewertungskaskade des SSK-KS 28, so ergibt sich die nachstehende – oben erwähnte – Rangordnung:</p>
<ul type="disc">
<li>In erster Linie gilt der Wert, der sich aus tatsächlich getätigten Aktientransaktionen unter Dritten zuverlässig ergibt.</li>
<li>Fehlen derartige Hinweise, kommt die im SSK-KS 28 erläuterte Bewertungsmethode zur Anwendung, wonach sich der Steuerwert der Beteiligungsrechte aus dem arithmetischen Mittel des doppelt gewichteten Ertragswertes und dem einfach gewichteten Substanzwert errechnet.<sup><a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27">27</a></sup></li>
</ul>
<p>Unternehmen, welche anlässlich der Gründung oder in darauffolgenden Kapitalrunden Gelder entgegennehmen, um damit den Aufbau oder – in späteren Entwicklungsphasen – den Ausbau zu finanzieren, haben die folgenden Gemeinsamkeiten:</p>
<ul type="disc">
<li>Mittels Kapitalrunden werden Gelder von Investor:innen entgegengenommen. Diese Gelder fliessen in die Gesellschaft.<sup><a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28">28</a></sup></li>
<li>Die Investor:innen zeichnen die Beteiligungsrechte aufgrund eines vom Unternehmen vorgegebenen oder mit dem Unternehmen ausgehandelten Preises. In jedem Fall erfolgt die Zeichnung zu einem Preis, welchem die Investor:innen zugestimmt haben.</li>
<li>Die Investor:innen halten regelmässig eine Minderheitsbeteiligung und sichern diese durch die oben erwähnten Mechanismen ab.</li>
</ul>
<p>Unabhängig davon in welcher Phase sich ein Unternehmen befindet, müssen die Beteiligungsrechte für die Vermögenssteuer zum Verkehrswert bemessen werden (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_14" target="_blank" rel="noopener">Art. 14 StHG</a>). Die kantonalen Steuerverwaltungen haben die Möglichkeit, unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren, vom Kauf- bzw. Transaktionspreis abzuweichen,<sup><a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">29</a></sup> sofern der Transaktionspreis vom (mutmasslichen) Verkehrswert abweicht.</p>
<p>Dieser Ermessenspielraum ermöglicht eine günstige Vermögenssteuerbesteuerung von Beteiligungsrechten an Start-up-Unternehmen. Die Bewertung nach der Substanzwertmethode macht Sinn, um eine überhöhte Vermögenssteuerbelastung zu verhindern. Wird pauschal eine Kategorie von Unternehmen wie z.B. Start-up-Unternehmen abweichend von den sonst geltenden Vorgaben bewertet, muss diese Ausnahme den Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Steuerrecht standhalten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob diese Praxis nicht auf Unternehmen auszudehnen ist, welche repräsentative Geschäftsergebnisse ausweisen.</p>
<h2>6. Der Gleichbehandlungsgrundsatz in der Vermögenssteuer</h2>
<h3>6.1 Verfassungsmässige Grundsätze der Vermögenssteuer</h3>
<p><a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_8" target="_blank" rel="noopener">Art. 8 BV</a> legt das Gleichbehandlungsgebot in der Verfassung fest. Danach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_8" target="_blank" rel="noopener">Art. 8 Abs. 1 BV</a>). Nach der in der Schweiz bekannten Formel ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln.<sup><a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">30</a></sup> Das Gleichbehandlungsgebot wird verletzt, wenn ein Erlass oder ein Entscheid sich nicht auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen lässt, sinn- oder zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für welche ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist.<sup><a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31">31</a></sup> Aus dem Gesagten<sup><a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32">32</a></sup> kann abgeleitet werden, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz</p>
<ul type="disc">
<li>die Gleichbehandlung unter Berücksichtigung der zu regelnden Umstände verlangt; und</li>
<li>eine Ungleichbehandlung zulässt, sofern dies nach den Umständen sachlich geboten ist oder ein Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung vorliegt.</li>
</ul>
<p>Der Gleichbehandlungsgrundsatz für die Anwendung der Steuergesetze wird durch <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127" target="_blank" rel="noopener">Art. 127 Abs. 2 BV</a> konkretisiert. Angesprochen sind die Grundsätze der Allgemeinheit, der Gleichmässigkeit der Besteuerung und der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese Besteuerungsgrundsätze sind – nebst den Bundesbehörden – auch von den Kantonen in der Anwendung der kantonalen Steuergesetze zu beachten.<sup><a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33">33</a></sup></p>
<p>Im bekannten Entscheid des Bundesgerichts zum degressiven Steuersatz der Einkommenssteuer des Kantons Obwalden nahm das Bundesgericht ausführlich Stellung zum Leistungsfähigkeitsprinzip. Für den Bereich der Steuer vom Einkommen lässt sich gemäss dem Bundesgericht dem Leistungsfähigkeitsprinzip unmittelbar entnehmen, dass Personen und Personengruppen gleicher Einkommens- und Vermögensschicht gleich viel Steuern zu bezahlen haben (sog. horizontale Steuergerechtigkeit). Personen mit verschieden hohen Einkommen sind unterschiedlich zu belasten. Ein niedriges Einkommen muss im Vergleich zu einem hohen Einkommen zwangsweise eine tiefere Steuerlast zur Folge haben. Daraus folgert das Bundesgericht, dass die Steuerpflichtigen nach Massgabe der ihnen zustehenden Mittel gleichmässig belastet werden müssen, und die Steuerbelastung muss sich nach den dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehenden Wirtschaftsgütern und den persönlichen Verhältnissen richten.<sup><a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34">34</a></sup> Das Bundesgericht hat festgehalten, dass das Gleichbehandlungsgebot und das Leistungsfähigkeitsprinzip mit degressiven Vermögenssteuersteuersätzen gleich wie bei der Einkommenssteuer verletzt werden.<sup><a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35">35</a></sup></p>
<p>Die Anwendung dieses strengen Gleichbehandlungsgebotes erfährt in der Rechtsprechung Einschränkungen mit Blick auf die praktikable Handhabung des Steuerveranlagungsverfahrens als Massenverfahren. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine exakte, rechnerisch ermittelte Gleichbehandlung der einzelnen Steuerpflichtigen in der Praxis nicht umsetzbar. Schematisierungen und Pauschalisierungen sind unausweichlich und daher zulässig.<sup><a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36">36</a></sup> In der Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes im Steuerrecht auferlegt sich das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung. Eine Ungleichbehandlung aufgrund einer schematisierten oder pauschalisierten Anwendung des Gesetzes wird in Kauf genommen, soweit es zu keiner wesentlich stärkeren Belastung oder zu einer schematischen Benachteiligung kommt.<sup><a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37">37</a></sup></p>
<p>Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann geschlossen werden, dass die Steuerpflichtigen mit Bezug auf die Vermögenssteuer gleichbehandelt werden müssen. Im Einzelfall müssen hingegen aufgrund von Schematisierungen und Pauschalisierungen in der Veranlagung unterschiedliche Ergebnisse hingenommen werden.</p>
<h3>6.2 Mit Bezug auf die Bewertung von nicht kotierten Beteiligungsrechten</h3>
<p>Das Gesetz verlangt in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_14" target="_blank" rel="noopener">Art. 14 StHG</a> die Bewertung von Beteiligungsrechten nach dem Verkehrswert. Was unter dem Verkehrswert zu verstehen ist, bleibt unklar.</p>
<p>Die kantonale Steuerkonferenz hat im SSK-KS 28 eine Anleitung zur Bewertung von nicht kotierten Beteiligungsrechten erlassen. Das SSK-KS 28 ist kein Bundesrecht, sondern eine Verwaltungsverordnung. Es statuiert keine Rechte und Pflichten gegenüber Privaten, sondern enthält bloss verwaltungsinterne Regeln für das Verhalten der Beamt:innen.<sup><a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38">38</a></sup> Das Bundesgericht hat das SSK-KS 28 als eine zuverlässige Anleitung zur Bestimmung des Verkehrswertes qualifiziert.<sup><a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39">39</a></sup> Gleichzeitig hält das Bundesgericht fest, dass vom SSK-KS 28 abzuweichen ist, wenn eine bessere Erkenntnis des Verkehrswertes dies gebietet.<sup><a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40">40</a></sup></p>
<p>Die Bewertung von Start-up-Unternehmen mit der reinen Substanzwertmethode stützt sich im Wesentlichen auf die folgenden Argumente:<sup><a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41">41</a></sup></p>
<ul>
<li>Es liegen erhebliche Bewertungsschwierigkeiten von Start-up-Unternehmen vor.</li>
<li>Die Gelder der Investor:innen fliessen in das Start-up und nicht an dessen Gründer:innen.</li>
<li>Die Beteiligungsrechte an dem Start-up-Unternehmen sind rechtlich und / oder faktisch unverkäuflich.</li>
</ul>
<p>Diese für Start-up-Unternehmen charakteristischen Merkmale sind ebenfalls regelmässig bei Kapitalgesellschaften anzutreffen, die mittels Finanzierungsrunden neues Kapital beschaffen. Die Behördenpraxis zieht ungeachtet dessen die Trennlinie bei Vorliegen von sog. repräsentativen Geschäftsergebnissen. Diese Trennlinie kann im Einzelfall zu einer Ungleichbehandlung führen:</p>
<ul>
<li>Der Grund für die Bewertungsschwierigkeiten von Start-ups sind nicht die fehlenden repräsentativen Geschäftsergebnisse, sondern dass der bezahlte Transaktionspreis für die ausgegebenen Beteiligungsrechte nicht dem Marktwert entspricht.<sup><a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42">42</a></sup> Nach der Logik des SSK-KS 28 heisst dies im Umkehrschluss, dass nach Vorliegen von repräsentativen Geschäftsergebnissen der bezahlte Transaktionspreis für die neu auszugebenen Beteiligungsrechte dem Marktwert entspricht. Dem ist grundsätzlich zu widersprechen. Repräsentative Geschäftsergebnisse haben nicht zwangsweise zur Folge, dass der Transaktionspreis der neu auszugebenden Aktien dem Marktwert entspricht.</li>
<li>Bei jeder Kapitalerhöhung fliessen die Investorengelder in das Unternehmen und nicht an die Unternehmer:innen.</li>
<li>Die rechtliche und / oder faktische Unverkäuflichkeit der Beteiligungsrechte kann eine Begleiterscheinung jeder Kapitalerhöhung sein.</li>
</ul>
<p>Die Trennlinie kann nach dem Gesagten nicht bei Erreichen von repräsentativen Geschäftsergebnissen gezogen werden. Diese Abgrenzung verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz.</p>
<h2>7. Lösungsvorschlag</h2>
<p>Es ist sinnvoll, die Beteiligungsrechte an Start-ups nach der Substanzwertmethode zu bewerten. Eine Bewertung nach den Zeichnungspreisen der Investor:innen führt dazu, dass die Start-up-Unternehmer:innen regelmässig einer übermässigen Vermögenssteuerbelastung ausgesetzt sind.<sup><a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43">43</a></sup></p>
<p>Ungeachtet dessen muss der im Steuerrecht geltende Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet werden. Die Anwendung der Substanzwertmethode zur Bestimmung des Vermögenssteuerwertes bei jeder Kapitalgesellschaft, die eine Kapitalerhöhung vornimmt, lässt sich nicht rechtfertigen.</p>
<p>Die Lösung kann darin bestehen, dass – mit Ausnahme von Start-ups, für welche die Substanzswertmethode anzuwenden ist – der bezahlte Transaktionspreis anlässlich einer Kapitalerhöhung die Grundlage für die Vermögenssteuerbewertung bilden kann, wenn er sich mittels innerer oder äusserer Faktoren plausibilisieren lässt. Der innere Faktor ist die Bewertung der Gesellschaft gemäss dem arithmetischen Mittel aus dem doppelt gewichteten Ertragswert und dem einfach gewichtetem Substanzwert, wie dies das SSK-KS 28 vorschreibt.<sup><a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44">44</a></sup> Der äussere Faktor ist eine massgebliche Handänderung unter Dritten<sup><a title="" href="#_ftn45" name="_ftnref45">45</a></sup> unter Ausschluss der bezahlten Transaktionspreise anlässlich einer Kapitalerhöhung. Auf diese Weise liesse sich ein Transaktionspreis, der – wie bei einem Start-up – auf eine mögliche künftige Wertentwicklung schielt vom steuerlich massgebenden Marktwert gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_14" target="_blank" rel="noopener">Art. 14 StHG</a> abgrenzen und ausschliessen.</p>
<h2>8. Folgen für die steuerliche Bewertung von Mitarbeiterbeteiligungen</h2>
<p>Echte Mitarbeiterbeteiligungen stellen grundsätzlich einen geldwerten Vorteil dar und sind zum Zeitpunkt des Erwerbs als Teil des Einkommens aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu besteuern (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17_a" target="_blank" rel="noopener">Art. 17a DBG</a> / <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_7_c" target="_blank" rel="noopener">Art. 7c ff. StHG</a>). Der geldwerte Vorteil errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert und allfällig vom Mitarbeitenden bezahlten Erwerbspreis (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17_b" target="_blank" rel="noopener">Art. 17b Abs. 1 DBG</a> / <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_7_c" target="_blank" rel="noopener">Art. 7c Abs. 1 StHG</a>).</p>
<p>Nicht börsenkotierte Gesellschaften kennen regelmässig keinen Verkehrswert. Für diese Gesellschaften hält das Kreisschreiben Nr. 37 vom 30. Oktober 2020 fest, dass der Wert der zugeteilten Beteiligungsrechte aufgrund des Formelwertes gemäss dem SSK-KS 28 berechnet werden kann.<sup><a title="" href="#_ftn46" name="_ftnref46">46</a></sup> Zur Bestimmung des Formelwertes verweist das erwähnte Kreisschreiben Nr. 37 auf das SSK-KS 28. Ist demgegenüber dennoch ein Verkehrswert verfügbar, bestimmt sich die Bewertung der zugeteilten Beteiligungsrechte am Zeitpunkt des Erwerbs nach diesem Verkehrswert.<sup><a title="" href="#_ftn47" name="_ftnref47">47</a></sup></p>
<p>Ein anlässlich einer Kapitalrunde bezahlter Transaktionspreis eines Investors kann ebenfalls einen Verkehrswert begründen.<sup><a title="" href="#_ftn48" name="_ftnref48">48</a></sup> Folglich stellt sich hier – wie oben ausgeführt – die Frage, ob ein solcher Wert als Verkehrswert herangezogen werden kann.</p>
<p>Massgebend für die Bestimmung des geldwerten Vorteils im Zeitpunkt des Erwerbs der Mitarbeiterbeteiligung ist der Verkehrswert (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17_b" target="_blank" rel="noopener">Art. 17b Abs. 1 DBG</a> / <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_7_c" target="_blank" rel="noopener">Art. 7c Abs. 1 StHG</a>). Auch hier drängt sich die Lösung auf, dass ein anlässlich einer Kapitalrunde bezahlter Transaktionspreis als Verkehrswert qualifizieren kann, sofern er sich plausibilisieren lässt. Die Bewertung von Beteiligungsrechten für die Vermögenssteuer kann zwar nicht unbesehen auf die Bewertung von nicht kotierten Mitarbeiterbeteiligungen übertragen werden.<sup><a title="" href="#_ftn49" name="_ftnref49">49</a></sup> Ungeachtet dessen sind nicht börsennotierte Mitarbeiterbeteiligungen ebenfalls so zu bewerten, dass die Differenz zwischen dem plausibilisierten bzw. nachgewiesenen Verkehrswert und dem Erwerbspreis besteuert wird – und nicht ein Transaktionspreis herangezogen wird, der eine erhoffte künftige Wertsteigerung mit berücksichtigt.</p></article>
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