<article class="rz"><h2>1. Allgemeine Vorbemerkungen<sup><a href="#_ftn1" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref1">01</a></sup></h2>
<p>Juristische Personen, welche die jeweiligen Voraussetzungen von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_56" target="_blank" rel="noopener">Art. 56 lit. e, g und h des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG)</a> erfüllen, gelangen grundsätzlich in den Genuss einer subjektiven Steuerbefreiung. Werden juristische Personen wegen der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke subjektiv steuerbefreit, sind gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_56" target="_blank" rel="noopener">Art. 56 lit. g DBG</a> der Erwerb und die Verwaltung von «wesentlichen Kapitalbeteiligungen an Unternehmen» nur unter restriktiven Voraussetzungen zulässig. Das Bundesgericht hatte neulich die Frage, unter welchen Umständen das Halten einer massgebenden Beteiligung an einer operativen Gesellschaft durch eine gemeinnützige Stiftung einer subjektiven Steuerbefreiung entgegensteht, zu beurteilen.<sup><a href="#_ftn2" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref2">02</a></sup> Zudem soll auch der Frage nachgegangen werden, ob subjektiv steuerbefreiten Stiftungen Nutzniessungen an Grundstücken des Stifters eingeräumt werden können.<sup><a href="#_ftn3" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref3">03</a></sup></p>
<h2>2. Gemeinnützige juristische Personen</h2>
<h3>2.1 Allgemeine Voraussetzungen für die subjektive Steuerbefreiung</h3>
<p>Die Steuerbefreiung gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_56" target="_blank" rel="noopener">Art. 56 lit. g DBG</a> ist an folgende allgemeine Voraussetzungen geknüpft:</p>
<ul type="disc">
<li>Rechtsform der juristischen Person;</li>
<li>Ausschliesslichkeit der Mittelverwendung für einen steuerbefreiten Zweck;</li>
<li>Unwiderruflichkeit der Zweckbindung;</li>
<li>tatsächliche Verwirklichung der vorgegebenen Zwecksetzung.<sup><a href="#_ftn4" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref4">04</a></sup></li>
</ul>
<p>Bei juristischen Personen mit gemeinnütziger Zwecksetzung wird zudem verlangt, dass die Zweckverfolgung im Allgemeininteresse liegt. Der Kreis der Destinatäre muss also grundsätzlich offen sein. Zudem sind gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_56" target="_blank" rel="noopener">Art. 56 lit. g DBG</a> «unternehmerische Zwecke» nicht gemeinnützig. Die Verfolgung von sog. Erwerbs- oder Selbsthilfezwecken oder unmittelbarer Eigeninteressen der juristischen Person oder ihrer Mitglieder qualifiziert nicht als Uneigennützigkeit und schliesst eine subjektive Steuerbefreiung aus.<sup><a href="#_ftn5" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref5">05</a></sup> Eine Erwerbstätigkeit ist zulässig, wenn sie «Mittel zum Zweck» bildet und im Verhältnis zum altruistischen Zweck untergeordneter Natur ist.<sup><a href="#_ftn6" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref6">06</a></sup></p>
<p>Der Erwerb und die Verwaltung von «wesentlichen Kapitalbeteiligungen an Unternehmen» sind allerdings gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_56" target="_blank" rel="noopener">Art. 56 lit. g Satz 3 DBG</a> unschädlich, wenn zum einen das Interesse an der Unternehmenserhaltung dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet ist und zum anderen keine geschäftsleitenden Tätigkeiten ausgeübt werden.</p>
<h3>2.2 Aktuelle bundesgerichtliche Rechtsprechung<sup><a href="#_ftn7" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref7">07</a></sup></h3>
<h4>2.2.1 Sachverhalt, der dem <a href="https://www.servat.unibe.ch/dfr/bge/c2147287.html" target="_blank" rel="noopener"><strong>Urteil</strong></a><strong> zu Grunde lag</strong></h4>
<p>Eine im Kanton Waadt domizilierte und 1919 gegründete Stiftung verfolgt das Ziel, ohne konfessionelle oder politische Vorbehalte, aber auf der Grundlage einer breiten christlichen Geisteshaltung, für ein besseres Verständnis unter den Menschen zusammenzuarbeiten. Als Nebenzweck betrieb sie anfänglich «Soldatenstuben», was sich im Lauf der Jahre zu einer wichtigen wirtschaftlichen Tätigkeit in der sog. Gemeinschaftsgastronomie (Kantinen, Mensen etc.) weiterentwickelte.</p>
<p>Die Stiftung stand im Genuss einer subjektiven Steuerbefreiung, wobei per 1.1.1999 die Aktivitäten im Gastronomiebereich davon ausgenommen wurden. Im Jahr 2015 übertrug die Stiftung sämtliche Aktivitäten in der Gemeinschaftsgastronomie mit Wirkung per 1.1.2015 auf eine 100%-Tochter- bzw. Enkelgesellschaft. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde zwischen der Tochtergesellschaft und der Stiftung ein langfristiger und verzinslicher Darlehensvertrag geschlossen. Dieser belief sich auf rund CHF 25 Mio. (Saldo der Vermögensübertragung) und entsprach einer an die Stiftung ausgeschütteten Sonderdividende im gleichen Betrag. Die Stiftung gab ihrer Tochtergesellschaft einen Handlungsrahmen vor, der sich zu organisatorischen, finanziellen und strategischen Gesichtspunkten äussert und entsprechende Vorgaben an die operative Ebene umfasst.</p>
<p>In der Folge verweigerte die kantonale Steuerverwaltung Waadt eine subjektive Steuerbefreiung wegen gemeinnütziger Zwecksetzung. Das Kantonsgericht des Kantons Waadt hiess die von der Stiftung dagegen angehobene Beschwerde gut. Daraufhin gelangte die kantonale Steuerverwaltung Waadt an das Bundesgericht, welche die Voraussetzungen für eine subjektive Steuerbefreiung infolge des beherrschenden Einflusses der Stiftung auf ihre AG als nicht gegeben betrachtete.</p>
<h4>2.2.2 Bundesgerichtliche Erwägungen</h4>
<p>Das Bundesgericht hält unter Berücksichtigung seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass «unternehmerische Zwecke» dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet sein müssen, wobei eine subjektive Steuerbefreiung ohnehin ausgeschlossen sei, sofern die geschäftlichen Aktivitäten ein gewisses Mass übersteigen, da damit das Prinzip der Wettbewerbsneutralität verletzt werde.<sup><a href="#_ftn8" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref8">08</a></sup></p>
<p>Gemäss der im Urteil des Bundesgerichts Juni 2020<sup><a href="#_ftn9" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref9">09</a></sup> ergangenen Rechtsprechung sei es einer (gemeinnützigen) Stiftung nicht verwehrt, einen Teil ihres nicht benötigten Stiftungsvermögens drittmarktkonform, im Sinne einer langfristigen Sicherung des Stiftungszweckes, anzulegen, solange zur Verfolgung des im Allgemeininteresse liegenden Zweckes ausreichend Mittel vorhanden sind.<sup><a href="#_ftn10" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref10">10</a></sup> Der Darlehensvergabe an Dritte, selbst an Mitglieder des Stiftungsrates, stehe einer subjektiven Steuerbefreiung solange nichts entgegen, als dass kein Konflikt zwischen den Eigeninteressen der Mitglieder des Stiftungsrats und der Verfolgung des im Allgemeininteresse liegenden Stiftungszwecks entstehen, wobei sich ein solcher nach dem aussen erkennbaren objektive Anschein beurteilen müsse.<sup><a href="#_ftn11" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref11">11</a></sup> Ein solcher Interessenskonflikt sei gegeben, wenn rund 57% des Stiftungsvermögens in Form von Darlehen an zwei Stiftungsratsmitglieder gebunden sind.<sup><a href="#_ftn12" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref12">12</a></sup> Das Bundesgericht verdeutlicht auch, dass bloss die potentielle Möglichkeit einer «geschäftsleitenden Aktivität» nicht genüge, sondern dass eine solche auch tatsächlich ausgeübt werden müsse.<sup><a href="#_ftn13" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref13">13</a></sup></p>
<p>Auch wenn im vorliegenden Fall eine sehr enge finanzielle, organisatorische, strategische und personelle Verflechtung der Stiftung mit «ihrer» AG vorgelegen hat, liess das Bundesgericht letztlich offen, ob damit ein schädlicher beherrschender Einfluss vorliegt.<sup><a href="#_ftn14" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref14">14</a></sup> Es sah jedoch das Erfordernis, dass das Interesse an der Unternehmenserhaltung dem eigentlichen gemeinnützigen Zweck untergeordnet sein muss, als nicht eingehalten.<sup><a href="#_ftn15" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref15">15</a></sup> Dies auch vor dem Hintergrund, dass fast das ganze Stiftungsvermögen in der entsprechenden Beteiligung verkörpert ist und sich ihre Ertragslage fast ausschliesslich aus Einkünften aus der Beteiligung ergibt (Zins- und Beteiligungserträge).<a href="#_ftn16" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a></p>
<p>Diese Situation führe unweigerlich zu einer gegenseitigen finanziellen Abhängigkeit zwischen der Stiftung und dem Unternehmen. Die Erträge, die die Stiftung aus ihrem Vermögen zu erwarten habe, sowie die Werthaltigkeit dieses Vermögens seien eng mit dem erfolgreichen Betrieb der AG bzw. der Unternehmensgruppe verbunden. Aus ihrer Doppelrolle als Aktionärin und Hauptgläubigerin der AG ergebe sich ein Interessenskonflikt. Dieser laufe darauf hinaus, dass entweder die strikte Einhaltung des Darlehensvertrags verlangt werden müsse, oder dass vorübergehend oder dauerhaft auf die vollständige oder teilweise Darlehensrückzahlung bzw. auf die laufenden Zinsen verzichtet werden müsse. Die Einhaltung des Darlehensvertrags erfolge auf die Gefahr hin, die Schuldnerin in ernste finanzielle Schwierigkeiten zu bringen und damit den Wert ihrer Aktien zu schädigen, die auch einen wesentlichen Teil ihres Vermögens ausmachen. Demgegenüber betrifft die teilweise Rückzahlung des Darlehens bzw. der Verzicht auf die Zinsen eine ihrer wichtigsten Liquiditätsquellen und folglich das wesentliche Element für die Verfolgung ihrer Ziele von öffentlichem Interesse.<sup><a href="#_ftn17" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref17">17</a></sup> </p>
<p>Die Fähigkeit der Stiftung, den gemeinnützigen Zweck längerfristig verfolgen zu können, hänge fast ausschliesslich von der Entwicklung und dem Überleben der Unternehmung ab.<a href="#_ftn18" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a> Das Bundesgericht deutet an, dass bei einer anderen Vermögensstrukturierung bzw. bei breiterer Diversifikation der Investments der Stiftung allenfalls auch ein anderes Ergebnis – d.h. eine subjektive Steuerbefreiung – denkbar wäre.<sup><a href="#_ftn19" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref19">19</a></sup></p>
<h3>2.3 Unterordnung der Unternehmenserhaltung unter gemeinnützigen Zweck</h3>
<p>Die <a href="https://www.estv.admin.ch/estv/de/home.html" target="_blank" rel="noopener">Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV)</a> postuliert, dass bei wesentlichen Beteiligungen die Unternehmenserhaltung dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet sein muss. Das heisst, die gehaltene Gesellschaft hat regelmässige und wesentliche Gewinnausschüttungen vorzunehmen, welche wiederum dem steuerbefreiten Zweck zufliessen müssen.<sup><a href="#_ftn20" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref20">20</a></sup></p>
<p>Es ist Opel zuzustimmen, wenn sie feststellt, dass es im «ureigenen Interesse» der Stiftung liege, dass sich ihre Beteiligung bzw. das darin verkörperte Unternehmen positiv entwickelt. Nur dann kann gewährleistet werden, dass die im Unternehmen erwirtschafteten Mittel auch der Stiftung zugänglich werden.<sup><a href="#_ftn21" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref21">21</a></sup> Opel fordert daher, dass die Steuerbehörden nicht durch Ausschüttungsauflagen in Form von betraglich fixierten oder bestimmbaren Gewinnausschüttungen in das Geschäftsgebaren der gehaltenen Unternehmung eingreifen, sondern eine vernünftige Geschäftspolitik sicherstellen sollten.<a href="#_ftn22" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a> Trotz der nachvollziehbaren Kritik werden aber die vollziehenden Steuer- oder Aufsichtsbehörden nicht umhinkommen, das Erfordernis der Unterordnung des Interesses an der Unternehmenserhaltung im Steuerbefreiungs- oder im Aufsichtsprozess auch entsprechend zu fordern und zu prüfen. Nach Auffassung des Verfassers sollte aber auf eine betragliche Fixierung der Gewinnausschüttungen verzichtet werden.</p>
<p>Ist die gemeinnützige Stiftung aber in ihrer Existenz ausschliesslich vom gedeihlichen Fortbestand «ihrer» Unternehmung abhängig, so dürfte aufgrund der aktuellsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung das Interesse an der Unternehmenserhaltung dem gemeinnützigen Zweck nicht mehr untergeordnet sein.<a href="#_ftn23" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a> Hält die Stiftung daher eine einzige Beteiligung an der Tochtergesellschaft, welche ihrerseits die Stiftung mit ihren Gewinnausschüttungen alimentiert, besteht ein grosses Risiko dafür, dass der Holdingstiftung keine subjektive Steuerbefreiung gewährt werden kann.</p>
<h3>2.4 Keine Ausübung von geschäftsleitenden Tätigkeiten</h3>
<p>Gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_56" target="_blank" rel="noopener">Art. 56 lit. g DBG</a> steht die Wahrnehmung von geschäftsleitenden Tätigkeiten der Stiftung gegenüber der von ihr gehaltenen Unternehmung einer subjektiven Steuerbefreiung entgegen. Gemäss Auffassung der ESTV erweisen sich sodann reine Kapitalanlagen – auch Mehrheitsbeteiligungen – als nicht schädlich für die Steuerbefreiung, sofern damit keine Einflussnahme auf die Unternehmensführung möglich ist. Das Erfordernis der fehlenden Einflussnahme auf die Unternehmensführung setzt eine klare organisatorische und personelle Trennung von Stiftungsrat und Verwaltungsrat der Tochtergesellschaft voraus, wobei eine Verbindungsperson, die in beiden Gremien Einsitz nimmt, als nicht schädlich betrachtet wird.</p>
<p>Offenbar liess sich der Gesetzgeber dabei von Missbrauchsüberlegungen leiten.<a href="#_ftn24" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a> Damit sollte der Versuch angestellt werden, die Bestrebungen der Stiftungsorgane auf die Entfaltung des gemeinnützigen Zweckes und nicht nur auf die Unternehmenserhaltung zu konzentrieren.<sup><a href="#_ftn25" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref25">25</a></sup></p>
<p>Das Bundesgericht hat bedauerlicherweise die Frage offengelassen, ob die Einflussnahme der Stiftungsholding auf die geschäftlichen und operativen Belange «ihrer» AG einer geschäftsleitenden Tätigkeit entspricht.<a href="#_ftn26" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a> Wie Opel aber zu Recht ausführt, besteht zwischen dem Gesetzeswortlaut und der «Präzisierung» im einschlägigen Kreisschreiben ein <strong>kleiner, aber feiner Unterschied</strong>: Während die gesetzliche Ausgestaltung die Ausübung von «geschäftsleitenden Tätigkeiten» als schädlich für die subjektive Steuerbefreiung bezeichnet, schliesst das ESTV-Kreisschreiben die subjektive Steuerbefreiung bei Einflussnahme der Stiftung auf die Unternehmensführung aus.<a href="#_ftn27" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a> Die geforderte Unterlassung jeglicher Einflussnahme auf das gehaltene Unternehmen gehe über den Gesetzeswortlaut hinaus.<a href="#_ftn28" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a> Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Es muss einer gemeinnützigen Stiftung gestattet sein, auf die von ihr gehaltene Unternehmen insofern Einfluss, z.B. durch eine verbindliche Eigentümerstrategie, zu nehmen, als dass eine nachhaltige Entwicklung desselben gewährleistet ist, ohne aber in Form einer geschäftsleitenden Funktion ihrer Organe in die operative Ebene einzugreifen.</p>
<h3>2.5 Konsequenzen</h3>
<p>Aus den neueren Urteilen des Bundesgerichts ist ersichtlich, dass eine subjektive Steuerbefreiung bei einem «Klumpenrisiko» ausgeschlossen erscheint. Ein solches Klumpenrisiko liegt vor, wenn sich die Stiftung in einem Interessenskonflikt befindet, der bspw. darin besteht, dass ein Grossteil ihres Vermögens in Darlehen an Stiftungsratsmitglieder gebunden ist.<sup><a href="#_ftn29" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref29">29</a></sup> Ebenso, wenn sie ultimativ auf die gedeihliche Entwicklung ihrer Beteiligung angewiesen ist<a href="#_ftn30" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref30"><sup>30</sup></a>, was das Interesse an der (für die Stiftung existenziellen) Unternehmenserhaltung gegenüber der Verfolgung des gemeinnützigen Zweckes stark in den Vordergrund schiebt.</p>
<p>Die bundesgerichtliche Rechtsprechung dürfte auch zu einer Neubewertung der Frage, ob Förderstiftungen subjektive Steuerbefreiung zu gewähren ist, führen. Förderstiftungen investieren in Unternehmungen und unterstützen diese neben dem finanziellen Engagement auch in strategischer und operativer Hinsicht.<sup><a href="#_ftn31" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref31">31</a></sup> Die dabei allenfalls erzielten Gewinne fliessen in Form von Beteiligungserträgen an die Stiftung zurück, welche diese wiederum für den gemeinnützigen Zweck verwenden kann.<a href="#_ftn32" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref32"><sup>32</sup></a> Hält die Förderstiftung ausschliesslich eine Beteiligung, auf welche sich ihre Fördertätigkeiten fokussieren, und sind gegenseitige finanzielle Verflechtungen (Darlehen, Beteiligungserträge etc.) vorhanden, dürfte es schwer fallen, eine subjektive Steuerbefreiung zu gewähren, da nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in solchen Konstellationen das Interesse an der Unternehmenserhaltung überwiegen dürfte.</p>
<h2>3. Einräumung von beschränkt dinglichen Rechten</h2>
<p>Die Steuerbehörden werden immer wieder mit der Fragestellung konfrontiert, ob einer im Sinn von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_23" target="_blank" rel="noopener">Art. 23 Abs. 1 lit. f oder g des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)</a> subjektiv steuerbefreiten Stiftung die Nutzniessung an einem im Eigentum des Stifters stehenden Grundstück eingeräumt werden kann. Es wird nachfolgend daher der Versuch unternommen, einige Überlegungen zur zivil- und steuerrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Einsatzszenarios darzulegen.</p>
<h3>3.1 Fiktiver Sachverhalt</h3>
<p>Frau Anna-Sophia Bach ist Liebhaberin und Mäzenin der klassischen Musik. Einen Teil ihres beträchtlichen geerbten Vermögens hat sie auf eine subjektiv steuerbefreite Stiftung übertragen. Diese widmet sich der Nachwuchsförderung von Musikerinnen und Musikern und der Wiederaufführung vergessen gegangener oder unbeachteter Werke der klassischen Musik. Insbesondere soll die Stiftung dafür besorgt sein, eine Plattform zu bieten, auf der in- und ausländische Nachwuchsmusiker ihre Künste einem interessierten Publikum darbieten können. Ebenso können Stipendien an talentierte Musiker ausgerichtet werden. Frau Bach ist vorsitzendes Mitglied des Stiftungsrates.</p>
<p>Sie stellt der Stiftung seit der Gründung eine in ihrem Wohnsitzkanton gelegene geräumige Jugendstilvilla unentgeltlich zur Verfügung, in der sich Übungsräumlichkeiten und ein mittelgrosser Aufführungsraum befinden. Frau Bach ist es aber zunehmend ein Dorn im Auge, dass sie für das entsprechende Grundstück hohe Vermögens- und Einkommenssteuern auf dem ihr zugerechneten Eigenmietwert zahlen muss. Ihre Steuerberaterin rät ihr daher, der Stiftung eine Nutzniessung im Sinn von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#book_4/part_2/tit_21/chap_2/lvl_A" target="_blank" rel="noopener">Art. 745 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB)</a> am fraglichen Grundstück einzuräumen.</p>
<h3>3.2 Nutzniessung</h3>
<h4>3.2.1 Sachenrechtliche Eckpunkte</h4>
<p>Die Nutzniessung im Sinn von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#book_4/part_2/tit_21/chap_2/lvl_A" target="_blank" rel="noopener">Art. 745 ZGB</a> ist als beschränkt dingliches Recht ausgestaltet und zwar als persönliche, d.h. auf die berechtigte Person bezogene, Dienstbarkeit.<sup><a href="#_ftn33" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref33">33</a></sup> Sie verleiht der berechtigten Person eine quasieigentümerähnliche Stellung in Bezug auf das belastete Grundstück, indem nur das sog. «nackte» Eigentum beim Grundeigentümer verbleibt. Der «volle Genuss» fällt hingegen gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#book_4/part_2/tit_21/chap_2/lvl_A" target="_blank" rel="noopener">Art. 745 Abs. 2 ZGB</a> ohne davon abweichende Vereinbarung der berechtigten Person zu. Bei der Nutzniessung an einem Grundstück kann das Nutzungsrecht allerdings auf einen bestimmten Teil des Gebäudes oder auf einen bestimmten Teil des Grundstücks eingeschränkt werden.<a href="#_ftn34" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref34"><sup>34</sup></a> Der volle Genuss umfasst gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_755" target="_blank" rel="noopener">Art. 755 Abs. 1 ZGB</a> den Besitz, den Gebrauch und die Nutzung der Sache, wobei das in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_755" target="_blank" rel="noopener">Art. 755 Abs. 3 ZGB</a> verankerte und zwingend zu beachtende Gebot der schonenden Ausübung der Dienstbarkeit zu beachten ist.<sup><a href="#_ftn35" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref35">35</a></sup> Die Nutzniessung umfasst bei einem Grundstück die damit verbundene Nutzung bzw. die Vereinnahmung der daraus erzielbaren Mieterträge.<sup><a href="#_ftn36" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref36">36</a></sup></p>
<p>Der Errichtungsvertrag (Verpflichtungsgeschäft) ist öffentlich zu beurkunden. Danach kann die Nutzniessung im Grundbuch eingetragen werden (Verfügungsgeschäft).<a href="#_ftn37" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref37"><sup>37</sup></a></p>
<p>Die Nutzniessung kann in zeitlicher Hinsicht nicht unbefristet ausgestaltet werden. Sie endet mit dem Tod des Berechtigten bzw. bei juristischen Personen mit deren Auflösung.<a href="#_ftn38" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref38"><sup>38</sup></a> Ihre maximale Höchstdauer ist zudem auf 100 Jahre begrenzt.<sup><a href="#_ftn39" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref39">39</a></sup></p>
<h4>3.2.2 Stiftungsrechtliche Rahmenbedingungen</h4>
<p>Beim Stiftungsvermögen gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_80" target="_blank" rel="noopener">Art. 80 ZGB</a> handelt es sich um ein rechtlich verselbständigtes Zweck- oder Sondervermögen.<sup><a href="#_ftn40" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref40">40</a></sup> Es umfasst sämtliche Mittel, mit deren Einsatz und Hilfe der Stiftungszweck verfolgt wird.<a href="#_ftn41" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref41"><sup>41</sup></a> Insbesondere können «vermögenswerte Rechte jeglicher Art», d.h. dingliche oder obligatorische Rechte, gewidmet werden.<sup><a href="#_ftn42" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref42">42</a></sup> Die entsprechenden Vermögenswerte müssen die Voraussetzungen der Zweckeignung und –tauglichkeit erfüllen, wobei diesbezüglich kein allzu strenger Massstab anzusetzen ist.<a href="#_ftn43" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref43"><sup>43</sup></a> Es gilt der sog. Trennungsgrundsatz, wonach sich der Stifter endgültig vom gewidmeten Vermögen zu entledigen hat.<sup><a href="#_ftn44" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref44">44</a></sup></p>
<h4>3.2.3 Steuerrechtliche Rahmenbedingungen</h4>
<p>Als allgemeine Voraussetzungen für die subjektive Steuerbefreiung gilt u.a. auch die Unwiderruflichkeit der Verhaftung, der dem steuerbefreiten Zweck gewidmeten Vermögenswerte mit dem steuerbefreiten Zweck.<sup><a href="#_ftn45" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref45">45</a></sup></p>
<h3>3.3 Steuerliche Beurteilung</h3>
<p>Im vorliegenden Fall führt die Einräumung der Nutzniessung dazu, dass Frau Anna-Sophia Bach keinen Eigenmiet- und Vermögenssteuerwert des belasteten Grundstücks versteuern muss.<a href="#_ftn46" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref46"><sup>46</sup></a> Da die berechtigte Stiftung subjektive Steuerbefreiung geniesst und der fragliche Vermögenswert (unmittelbar) dem steuerbefreiten Zweck dient, fällt eine Besteuerung des Grundstücks auf Ebene der Stiftung ebenfalls ausser Betracht.</p>
<p>Die Nutzniessung an einem für den Stiftungszweck geeigneten Grundstück dürfte den (stiftungsrechtlichen) Anforderungen an Zweckeignung und –tauglichkeit nachkommen. Daher spricht aus stiftungsrechtlicher Sicht nichts gegen die Einräumung einer Nutzniessung an einem Grundstück gegenüber einer bereits bestehenden Stiftung.<sup><a href="#_ftn47" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref47">47</a></sup></p>
<p>Aufgrund der zeitlichen Befristung einer Nutzniessung ist der davon betroffene Vermögenswert nur zeitlich begrenzt der unwiderruflichen Zweckverhaftung unterworfen, was mit dem Erfordernis der Unwiderruflichkeit der Zweckbindung kollidiert. Daher ist fraglich, ob die Nutzniessungseinräumung steuerlich zulässig erscheint. Andererseits ist der Stiftung eine gewisse Dynamisierung in Bezug auf ihre Vermögensstruktur und –entwicklung zuzugestehen, was die an sich nur vorübergehende Berechtigung aufgrund der Nutzniessung als unproblematisch erscheinen lässt. Ein höchstrichterliches Verdikt dazu besteht (noch) nicht, weshalb die Beantwortung dieser grundsätzlichen Fragestellung dem Ermessenspielraum der Entscheidbehörden zu überlassen ist.</p>
<p>Da Frau Bach mit der Transaktion eine Steuerersparnisse erzielt, ist ihre steuerliche Situation auch unter dem Aspekt einer allfälligen Steuerumgehung zu beurteilen. Dabei sind sämtliche Entscheidfaktoren einzubeziehen. So sind mögliche Handlungsvarianten (Gebrauchsleihe, Miete, schenkungsweise Übertragung), aber auch die persönlichen Motive der Stifterin in Betracht zu ziehen. Je länger die Dauer der Nutzniessung vereinbart wird, desto eher ist davon auszugehen, dass mit der Nutzniessung auch ein substanzieller Förderbeitrag an die Stiftung einhergeht und keine Risiken oder übermässigen Pflichten überbunden werden. Sprechen allerdings objektive Gründe gegen eine längere Nutzniessungsdauer, so steht dies der steuerlichen Zulässigkeit nicht entgegen.<sup><a href="#_ftn48" target="_blank" rel="noopener" name="_ftnref48">48</a></sup></p>
<p>Liegen objektive und nachvollziehbare Gründe für die Nutzniessungseinräumung vor, so dürfte der Tatbestand der Steuerumgehung, der u.a. auf der Ungewöhnlichkeit der Ausgestaltung der Rechtsgeschäfte aufsetzt, nur schwerlich erfüllt sein, auch wenn damit eine Steuerersparnis bei der Stifterin verbunden ist. Bei der Frage, ob die Nutzniessungseinräumung an eine subjektiv steuerbefreite Stiftung von der Veranlagungsbehörde anerkannt wird sind somit die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls massgebend. Als entscheidrelevante Eckwerte sind somit die Länge der Nutzniessungsdauer sowie der Umstand, dass keine übermässigen Risiken und Kosten auf die Stiftung überwälzt werden, anzuführen.</p>
<p>Die subjektive Steuerbefreiung der Stiftung ist durch die Nutzniessungseinräumung nicht tangiert.</p></article>
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