<article class="rz"><p>In den Grenzgebieten des St. Gallischen Rheintals und Sarganserlands pendeln tagtäglich tausende Arbeitnehmende aus der Schweiz nach Liechtenstein und umgekehrt. Für Grenzgänger enthält das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Liechtenstein eine besondere Regelung, wonach das im Tätigkeitsstaat erzielte Erwerbseinkommen vollständig dem Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung zugewiesen wird. Für Nichtgrenzgänger erfolgt hingegen eine anteilsmässige Besteuerung im Tätigkeits- und Ansässigkeitsstaat. Bei der Anstellung von Grenzgängern ergeben sich für die Arbeitgebenden diverse Abklärungs- und Deklarationspflichten. Nachfolgend soll auf die Grundsätze der Besteuerung von Grenzgängern gemäss der geltenden Grenzgängerregelung zwischen der Schweiz und Liechtenstein eingegangen werden. Diese soll insbesondere auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Arbeit im Home-Office beleuchtet werden.</p>
<h2>1. Besteuerung der Grenzgänger im Ansässigkeitsstaat</h2>
<h3><strong>1.1 </strong><strong>Einleitende Bemerkungen</strong></h3>
<p>Nach unilateralem Steuerrecht kann bei der Ausübung einer (selbständigen oder unselbständigen) Erwerbstätigkeit in der Schweiz durch eine Person mit Wohnsitz im Ausland grundsätzlich eine beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht gegeben sein. Wer sich ungeachtet vorübergehender Unterbrechungen während mindestens 30 Tagen in der Schweiz aufhält und hier einer Erwerbstätigkeit nachgeht, begründet eine unbeschränkte Steuerpflicht (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_3" target="_blank" rel="noopener">Art. 3 Abs. 3 lit. a</a> i.V.m. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#part_2/tit_1/chap_1/sec_3" target="_blank" rel="noopener">Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 DBG</a>). Auch bei mehreren kürzeren Aufenthalten unter 30 Tagen am Stück kann eine beschränkte Steuerpflicht in der Schweiz gegeben sein, womit das hier erzielte Einkommen prinzipiell nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_5" target="_blank" rel="noopener">Art. 5 Abs. 1 lit. a DBG</a> der Schweizer Besteuerung unterliegt.</p>
<p>Findet sich bei grenzüberschreitenden Situationen im ausländischen, unilateralen Steuerrecht eine ähnlich weitgehende Definition der Steuerpflicht, so ergibt sich ein Risiko der Doppelbesteuerung, welches durch die jeweiligen von der Schweiz mit über 100 Staaten abgeschlossenen <a href="https://www.sif.admin.ch/sif/de/home/bilateral/steuerabkommen/doppelbesteuerungsabkommen.html#:~:text=Doppelbesteuerungsabkommen%20(DBA)%20vermeiden%20die%20Doppelbesteuerung,Element%20zur%20F%C3%B6rderung%20internationaler%20Wirtschaftsaktivit%C3%A4ten." target="_blank" rel="noopener">Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)</a> wieder eingeschränkt wird. Im Verhältnis zwischen Liechtenstein und der Schweiz ist das entsprechende <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de" target="_blank" rel="noopener">Doppelbesteuerungsabkommen (DBA CH-FL)</a> seit dem 22. Dezember 2016 in Kraft.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> Im Zusammenhang mit der unselbständigen Erwerbstätigkeit wird als Grundregel in Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art 15 Abs. 1 DBA CH-FL</a> festgehalten, dass die aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. In diesem Fall kommt das Besteuerungsrecht für das erzielte Erwerbseinkommen dem Tätigkeitsstaat zu (sog. Tätigkeitsortsprinzip). Nebst den Ausnahmeregelungen für Entsendungen (sog. Monteurklausel / 183-Tage-Regel, vgl. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 2 DBA CH-FL</a>) sowie für die Besatzung von Schiffen und Luftfahrzeugen (vgl. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 3 DBA CH-FL</a>) enthält das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de" target="_blank" rel="noopener">DBA CH-FL</a> eine besondere Reglung für Grenzgänger (vgl. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 4 DBA CH-FL</a>), auf welche im Rahmen dieses Beitrags der Fokus gelegt wird.</p>
<p>Die Grenzgängerregelung hält fest, dass die Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit von Arbeitnehmenden, welche als Grenzgänger qualifizieren, ausschliesslich im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Dies stellt eine Ausnahme von der Besteuerung nach dem erwähnten allgemeinen Tätigkeitsortsprinzip (vgl. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 1 DBA CH-FL</a>) dar.<strong> </strong>Konkret erhebt die Schweiz somit keine Quellensteuern auf den in der Schweiz erzielten Erwerbseinkünften von Liechtensteiner Grenzgängern und umgekehrt. Die jeweiligen Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit unterliegen demnach der ordentlichen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat.</p>
<p>Die Grenzgängerregelung nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 4 DBA CH-FL</a> findet auf privatrechtlich angestellte Grenzgänger sowie auf Angestellte von öffentlich-rechtlichen Institutionen Anwendung, an welcher sich beide Staaten gemeinsam beteiligen (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_19" target="_blank" rel="noopener">Art. 19 Abs. 2 DBA CH-FL</a>). Keine Anwendung findet die Grenzgängerregelung bei Vergütungen aus einer öffentlich-rechtlichen Institution, die nur vom jeweiligen Sitzstaat betrieben wird. In diesem Fall erfolgt die Besteuerung an der Quelle im Sitzstaat bzw. am Arbeitsort (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_19" target="_blank" rel="noopener">Art. 19 Abs. 1 DBA CH-FL</a>).</p>
<h3><strong>1.2 </strong><strong>Definition des Grenzgängers</strong></h3>
<p>Gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de" target="_blank" rel="noopener">DBA CH-FL</a> gilt als Grenzgänger, wer in der Regel täglich die Grenze überquert, indem er vom Wohnsitzstaat an den Arbeitsort in einem anderen Staat reist und sich nach Arbeitsende wieder in den Wohnsitzstaat zurückbegibt.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup></p>
<p>Als Wohnsitzstaat wird grundsätzlich derjenige Staat betrachtet, in welchem die in Frage stehende Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen und somit das Hauptsteuerdomizil hat. Personen, welche zwar eine Wohnadresse in der Schweiz haben, jedoch nicht im steuerlichen Sinne in der Schweiz ansässig sind, gelten als Nichtgrenzgänger. So qualifiziert beispielsweise eine Person, die als Wochenaufenthalterin von ihrem Zweitwohnsitz in der Schweiz an den Arbeitsort in Liechtenstein pendelt, nicht als Grenzgängerin im Sinne des <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de" target="_blank" rel="noopener">DBA CH-FL</a>.<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup></p>
<p>Unter dem Arbeitsort wird der Ort verstanden, an dem die Person in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist, was dem Ort entspricht, an dem die Arbeit üblicherweise ausgeführt wird.<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup></p>
<h3><strong>1.3 </strong><strong>Qualifikation als Nichtgrenzgänger bei Überschreitung der 45 Nichtrückkehrtage-Regelung</strong></h3>
<p>Die Regelung zur Grenzgängerbesteuerung nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 4 DBG CH-FL</a> ist nicht anwendbar bzw. die Grenzgängereigenschaft entfällt, wenn eine Person während eines Kalenderjahres an insgesamt mehr als 45 Arbeitstagen aus beruflichen Gründen nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup> </p>
<p>In der Verständigungsvereinbarung zwischen der Schweiz und Liechtenstein betreffend die Anwendung von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 4 DBA CH-FL</a> vom 14. November 2016 wird präzisiert, was unter den «beruflichen Gründen» zur Ermittlung der Nichtrückkehrtage zu verstehen ist.<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> Unter den im DBA CH-FL genannten beruflichen Gründen sind im Wesentlichen im Arbeitsverhältnis begründete Verhinderungen zu verstehen, wie z.B. Geschäftsreisen, Bereitschaftsdienst oder Anwesenheitspflicht, aber auch die grosse Distanz zwischen dem Hauptsteuerdomizil und dem Arbeitsort, die eine regelmässige Rückkehr unzumutbar macht.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup></p>
<p>Die Verständigungsvereinbarung der beiden Länder enthält eine nicht abschliessende Aufzählung mit Sachverhalten, bei welchen berufliche Gründe für die Nichtrückkehr an den Wohnort zu vermuten sind. Dazu gehören:</p>
<ul>
<li>Übernachtungen des Arbeitnehmers auf Geschäftsreisen. </li>
<li>Übernachtungen der Arbeitnehmerin in einem Hotel oder einer Zweitwohnung in der Nähe des Arbeitsortes inner- oder ausserhalb des Staates, in dem der Arbeitsort liegt, wenn für die Rückkehr an den Wohnort eine Fahrzeit von 45 Minuten mit dem in der Regel verwendeten Transportmittel überschritten würde. Liegt die Fahrzeit zwischen Wohn- und Arbeitsort unter den erwähnten 45 Minuten, ist die berufliche Veranlassung der Nichtrückkehr zu begründen. Mögliche Begründungen können dabei eine hohe berufliche Belastung, die massgeblich über der Regelarbeitszeit liegt, oder Übernachtungen wegen Geschäftsessen sein.</li>
<li>Übernachtungen der Arbeitnehmer bei Pikettdienst, sofern die Bereitschaft nicht gewährleistet werden kann, wenn der Arbeitnehmer am Wohnsitz übernachtet.</li>
<li>Übernachtungen der Arbeitnehmerin während Weiterbildungsaufenthalten, wenn der Arbeitgeber die Übernachtungskosten übernimmt.</li>
</ul>
<p>Grundsätzlich kommen als Nichtrückkehrtage überhaupt nur diejenigen Arbeitstage in Frage, welche im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbart sind. Dies bedeutet, dass Samstage, Sonntage und Feiertage nur dann zu den für die Ermittlung der Nichtrückkehrtage massgeblichen Arbeitstagen gezählt werden, wenn an diesen Tagen effektiv eine Arbeit angeordnet wurde oder es sich um Reisetage handelt. Kein Nichtrückkehrtag liegt hingegen vor, wenn die Arbeitszeit des Arbeitnehmers, durch die Anfangszeiten oder durch die Dauer der Arbeitszeit bedingt, über die Tagesgrenze hinausgeht und der Arbeitnehmer nach Beendigung der Arbeit an seinen Wohnsitz zurückkehrt, wie dies bei Schichtarbeit, Bereitschaftsdienst, Nachdienst, etc. der Fall ist.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> Schichtarbeiter und Arbeitnehmer mit Nachtdiensten oder Bereitschaftsdienst sind entsprechend nicht bereits aufgrund ihrer Arbeitszeiten vom Anwendungsbereich der Grenzgängerregelung ausgeschlossen.</p>
<p>Dauert das Arbeitsverhältnis nicht das ganze Kalenderjahr, werden die Nichtrückkehrtage anteilsmässig berechnet. Tritt beispielsweise ein Arbeitnehmer mit Wohnsitz in St. Gallen am 1. September des geltenden Jahres eine Arbeitsstelle in Vaduz an, wobei er bisher nicht in Liechtenstein tätig war, darf er nicht mehr als 15 Nichtrückkehrtage (45 Nichtrückkehrtage / 12 x 4) nachweisen, damit er als Grenzgänger für den betreffenden Zeitraum gilt.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup> Wechselt der besagte Arbeitnehmer unterjährig seinen Arbeitsort nach Balzers (d.h. innerhalb von Liechtenstein), wird die Zählung der Nichtrückkehrtage für das geltende Kalenderjahr fortgeführt.</p>
<p>Bei einer Teilzeitbeschäftigung werden die für den Wegfall der Grenzgängereigenschaft nötigen Nichtrückkehrtage im Verhältnis zu den vereinbarten Arbeitstagen berechnet.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup> Geht der vorhin erwähnte Arbeitnehmer aus der Schweiz beispielsweise einem Teilzeitpensum von 50% nach, das an jeweils drei Tagen pro Arbeitswoche ausgeübt wird, gilt er als Grenzgänger, sofern er an maximal 27 Tagen (=3.75 Nichtrückkehrtage pro Monat / 5 Arbeitstage x 3 Arbeitstage x 12) nicht in die Schweiz zurückkehrt. Erstreckt sich das Teilzeitpensum von 50% jedoch auf fünf Tage pro Woche, so gilt der Arbeitnehmer als Grenzgänger, sofern er nicht mehr als 45 Nichtrückkehrtage aufweist. Entscheidend ist somit, an wie vielen Wochentagen das Teilzeitpensum ausgeübt wird.</p>
<p>Keine Anpassung der Höchstzahl an zulässigen Nichtrückkehrtagen erfolgt bei vertraglich vereinbarter Arbeit im Home-Office im Ansässigkeitsstaat.<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup></p>
<h2>2. Besteuerung von Nichtgrenzgängern</h2>
<h3><strong>2.1 </strong><strong>Quotenmässige Besteuerung des Erwerbseinkommens im Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat</strong></h3>
<p>Im Gegensatz zu den Grenzgängern können Nichtgrenzgänger am Arbeitsort für die dort geleisteten Arbeitstage steuerpflichtig werden. Werden die 45 Nichtrückkehrtage im Kalenderjahr aus beruflichen Gründen überschritten, gilt die Arbeitnehmerin somit als Nichtgrenzgängerin und dem Tätigkeitsstaat steht das Besteuerungsrecht zu. Das gilt jedoch nur für diejenigen Arbeitstage, an denen die Tätigkeit tatsächlich (physisch) dort verrichtet wird (gem. Tätigkeitsortsprinzip von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 1 DBA CH-FL</a>). Wird die unselbständige Tätigkeit in einem Drittstaat (d.h. weder im Ansässigkeitsstaat noch im Tätigkeitsstaat) verrichtet, kommt das Besteuerungsrecht für diese Tage dem Ansässigkeitsstaat zu. Somit ist die Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat auf das dort erzielte Erwerbseinkommen beschränkt und verpflichtet den Arbeitgeber grundsätzlich zur Erhebung und Ablieferung einer Quellensteuer.</p>
<h3><strong>2.2 </strong><strong>Länderspezifische Methoden zur Ermittlung der Besteuerungsquoten bei Nichtgrenzgängern</strong></h3>
<p>Die Schweiz und Liechtenstein wenden bei Personen ohne Grenzgängereigenschaft unterschiedliche Methoden bei der Aufteilung des Erwerbseinkommens zwischen Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat an. Während für die Arbeitgeber in Liechtenstein eine pauschale Methode gilt, haben Schweizer Arbeitgeber die in den jeweiligen Staaten geleisteten Arbeitstage mittels effektiver Methode zu ermitteln.</p>
<h4>2.2.1 Schweiz</h4>
<p>Die Steuerverwaltungen beider Länder haben Merkblätter publiziert, welche Aufschluss über die jeweils anzuwendende Methode geben.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup> Gemäss Merkblatt der Schweiz haben Schweizer Arbeitgeber für die in Liechtenstein ansässigen Arbeitnehmenden ein sog. Kalendarium zu führen. Dieses gibt Aufschluss über die in der Schweiz, in Liechtenstein und in Drittstaaten geleisteten Arbeitstage. Dadurch ergibt sich für jeden Steuerpflichtigen und für jede Steuerperiode eine individuelle Aufteilung der Arbeitstage auf die involvierten Staaten und wird der Anteil des Erwerbseinkommens, der auf die in Liechtenstein ausgeübten Arbeitstage entfällt, Liechtenstein zur Besteuerung zugewiesen. Für die verbleibenden, in der Schweiz und Drittstaaten geleisteten Arbeitstage, steht das Besteuerungsrecht grundsätzlich der Schweiz zu.<sup><a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup> Schweizer Arbeitnehmenden wird das parallele Führen eines Kalendariums empfohlen.<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup> </p>
<blockquote>
<p><strong>Beispiel</strong>: Eine in Liechtenstein ansässige Arbeitnehmerin arbeitet in Buchs, St. Gallen, und kehrte im Jahr 2021 aus beruflichen Gründen an insgesamt 60 Tagen nicht an ihren Wohnort zurück. Sie qualifiziert daher nicht als Grenzgängerin i.S.v. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 4 DBA CH-FL</a>, wegen des Überschreitens der 45 Nichtrückkehrtage. Im Jahr 2021 arbeitete sie total 260 Tage, wovon sie während 200 Tagen in Buchs, an 25 Tagen in Liechtenstein (Home Office) und an 35 Tagen in Deutschland tätig war. Vorliegend hat die Schweiz gem. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">Art. 15 Abs. 4 DBA CH-FL</a> das Besteuerungsrecht für 77% (d.h. für 200 von 260 Tagen) des Erwerbseinkommens.</p>
</blockquote>
<h4>2.2.2 Liechtenstein</h4>
<p>Im Gegensatz zur Schweiz erfolgt die Bestimmung der Besteuerungsquote in Liechtenstein anhand eines pragmatischen Ansatzes, wonach für die in Liechtenstein tätigen Schweizer Arbeitnehmende von einem pauschalen Total von 240 Arbeitstagen ausgegangen wird und davon wiederum die ausserhalb von Liechtenstein ausgeübten Tätigkeitstage abgezogen werden. Dabei kann die Berechnung der nicht auf Liechtenstein entfallenden Tätigkeitstage auf der Basis der Aufstellung der Nichtrückkehrtage erfolgen.<sup><a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup> Die verbleibenden Tage im Verhältnis zu den pauschalen 240 Arbeitstagen ergeben die Besteuerungsquote, mit welcher das Einkommen in Liechtenstein bzw. der Schweiz besteuert wird. Gemäss dem Merkblatt der Steuerverwaltung des Fürstentums Liechtenstein kann der Steuerpflichtige alternativ auch ein Kalendarium zum Nachweis seiner Liechtensteinischen und ausländischen Arbeitstage führen, womit auf die effektiven Arbeitstage anstatt auf die Pauschalformel abgestellt wird, wodurch eine potentielle Doppelbesteuerung vermieden werden kann (vgl. hierzu Ziff. 2.2.3 nachfolgend).</p>
<blockquote>
<p><strong>Beispiel</strong>: Eine in der Schweiz ansässige Arbeitnehmerin verbrachte im Jahr 2021 200 Arbeitstage in Liechtenstein, 25 Arbeitstage in der Schweiz und 35 Arbeitstage in Deutschland. An insgesamt 60 Tagen kehrte sie aus beruflichen Gründen nicht an ihren Wohnort zurück. Entsprechend werden nach der pauschalen Methode 75%, d.h. für 180 Tage (=240-60 Nichtrückkehrtage) von 240 Tagen, des Erwerbseinkommens Liechtenstein zur Besteuerung zugewiesen.</p>
</blockquote>
<h4>2.2.3 Folgen des Methodendualismus</h4>
<p>Aufgrund der in den beiden Staaten angewandten, unterschiedlichen Berechnungsmethoden können sich je nach Situation Divergenzen ergeben, was einerseits auf die unterschiedliche Gesamtzahl an Arbeitstagen (Pauschale von 240 Arbeitstagen gegenüber den effektiv geleisteten Arbeitstagen) und andererseits auf die vom Total an Arbeitstagen abgezogene Grösse (Anzahl der Nichtrückkehrtage gegenüber den in Liechtenstein geleisteten Arbeitstagen) zurückzuführen ist. Während nach der für die Schweizer Arbeitgeber empfohlenen Methode die effektiv in der Schweiz geleisteten Arbeitstage massgeblich sind, werden in Liechtenstein die Nichtrückkehrtage von der Pauschale von 240 Tagen abgezogen. Diese auf den Methodendualismus zurückzuführenden Unterschiede können potenziell zu einer Doppelbesteuerung führen.</p>
<h2>3. Pflichten für die Schweizer Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Liechtensteiner Grenzgängern</h2>
<p>Werden Arbeitnehmende aus Liechtenstein angestellt, haben Schweizer Arbeitgebende deren Eigenschaft als Grenzgänger zu überprüfen, wofür zunächst deren steuerliche Ansässigkeit zu ermitteln ist. Angestellte können den Nachweis ihrer steuerlichen Ansässigkeit in Liechtenstein durch eine Ansässigkeitsbescheinigung der zuständigen Steuerbehörde am Wohnsitz erbringen.</p>
<p>Für Arbeitnehmende, welche nicht als Grenzgänger qualifizieren (d.h. Nichtgrenzgänger), hat der Arbeitgeber die Quellensteuer einzubehalten und den zuständigen Schweizer Steuerbehörden abzuliefern.<sup><a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a></sup> Daneben haben Schweizer Arbeitgeber, die liechtensteinische Grenzgänger beschäftigen, bei Überschreiten der 45-Tage-Schwelle eines Arbeitnehmers (oder bei einem Teilzeitpensum oder einer unterjährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses die entsprechend verringerte Anzahl Tage) eine Bescheinigung über die Nichtrückkehrtage auf dem dafür vorgesehenen <a href="https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/internationales-steuerrecht/international-laender/sif/liechtenstein.html#1209671765" target="_blank" rel="noopener">Formular</a><sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> auszustellen.<sup><a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup> Dieser Nachweis hat bis spätestens Ende Februar des Folgejahres zu erfolgen und ist zusammen mit den folgenden Unterlagen bei der für die Quellenbesteuerung des Arbeitnehmers zuständigen Behörde einzureichen:</p>
<ul>
<li>Aufstellung über die Nichtrückkehrtage, welche zwingend die folgenden Angaben enthalten muss: Datum der Abreise und Rückkehr, Ort und Land der Arbeitstätigkeit, Anzahl der auswärtigen Übernachtungen sowie Zweck des Aufenthaltes</li>
<li>Lohnausweis</li>
</ul>
<p>Der Arbeitgeber haftet als Schuldner der steuerbaren Leistung verschuldensunabhängig für die Entrichtung der Quellensteuer. Wurde die Quellensteuer nicht vollumfänglich oder gar nicht abgezogen, ordnet die zuständige Steuerverwaltung die Nachzahlung an. Zu viel entrichtete Quellensteuern werden wiederum zurückerstattet. Erfolgt eine nachträgliche ordentliche Veranlagung auf Antrag des Steuerpflichtigen oder von Amtes wegen, wird die bereits entrichtete Quellensteuer angerechnet oder zurückerstattet.</p>
<h2>4. Besonderheiten mit Home-Office</h2>
<p>In Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie wurde eine für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2022 <a href="https://www.estv.admin.ch/dam/estv/de/dokumente/international/laender/liechtenstein/20201020_verstaendigungsvereinbarung_liechtenstein.pdf.download.pdf/20201020_verstaendigungsvereinbarung_liechtenstein.pdf" target="_blank" rel="noopener">zeitlich beschränkte Verständigungsvereinbarung zwischen Liechtenstein und der Schweiz</a> abgeschlossen<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup>, wonach die Fiktion galt, dass die von den Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie betroffenen Arbeitnehmenden weiterhin von ihrem Wohnsitz an den Arbeitsort pendeln würden (obgleich die Arbeit tatsächlich aufgrund der entsprechenden Massnahmen vom Home-Office aus verrichtet wurde). Aufgrund der Verständigungsvereinbarung erfolgte bei der Verordnung von Home-Office durch den Arbeitgeber somit eine anteilsmässige Reduzierung der 45-Nichtrückkehrtage für die Steuerperiode 2022.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup></p>
<p>Zu berücksichtigen gilt, dass vertraglich vereinbarte Home-Office-Tage nicht zu einer (anteilsmässigen) Reduktion der 45 Nichtrückkehrtage führen. Die Arbeitstage, welche im Home-Office verbracht werden, werden generell dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers zur Besteuerung zugewiesen.</p>
<h2>5. Schlussfolgerungen</h2>
<p>Anders als andere von der Schweiz abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen mit den Nachbarländern enthält das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15" target="_blank" rel="noopener">DBA CH-FL in Art. 15 Abs. 4</a> eine Spezialbestimmung für die Besteuerung des Arbeitseinkommens von Grenzgängern. Abweichend vom Tätigkeitsortsprinzip wird das Erwerbseinkommen von Grenzgängern dem Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung zugewiesen. Kehrt die Arbeitnehmerin allerdings aus beruflichen Gründen an mehr als 45 Tagen nicht in den Wohnsitzstaat zurück, so verliert sie die Grenzgängereigenschaft und steht dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für das auf die entsprechenden Arbeitstage entfallenden Anteils des Einkommens zu. Das Arbeitseinkommen der Arbeitnehmerin wird in diesem Fall anteilsmässig zwischen Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat aufgeteilt, wofür die Schweiz und Liechtenstein in ihren Merkblättern unterschiedliche Berechnungsmethoden vorsehen.</p>
<p>Während die schweizerischen Steuerbehörden die Führung eines sog. Kalendariums über die jeweils in den beiden Staaten oder auch Drittstaaten verbrachten Arbeitstage verlangen, wendet die Steuerverwaltung des Fürstentums Liechtenstein eine Pauschalmethode an. Dieser Methodenpluralismus kann je nach Fallkonstellation zu einer Doppelbesteuerung des Arbeitnehmers führen.</p></article>
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