<article class="rz"><p><strong>Disclaimer:</strong> Dieser Beitrag ist die deutsche Übersetzung des Artikels <a href="https://novitafiscali.ch/articoli/2024/n3-marzo-2024/quando-l-autorita-fiscale-tratta-le-servitu-come-delle-operazioni-analoghe-alle-alienazioni-di-fondi" target="_blank" rel="noopener">«Quando l'autorità fiscale tratta le servitù comme delle operazioni analoghe alle alienazioni di fondi?»</a> durch Kathrin Egli Arginelli und Vanessa Valentino. Der Originalartikel stammt von Anna Maestrini und erschien in der Zeitschrift Novità fiscali, Ausgabe 3/2024.</p>
<h2>1. Allgemeine Grundsätze</h2>
<p>Bevor die verschiedenen Dienstbarkeiten, die zu einer Grundstückgewinnbesteuerung führen können, analysiert werden, lohnt es sich, kurz auf die Grundprinzipien der Einkommensbesteuerung und deren Ausnahmen einzugehen.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup></p>
<p>Bei der Besteuerung natürlicher Personen ist der Einkommensbegriff nach der Reinvermögenszuwachstheorie ausgestaltet, d.h. der Vermögenszuwachs in einer bestimmten Steuerperiode ist grösser als der Vermögensrückgang, so dass ein Überschuss entsteht. Nach diesem Grundsatz unterliegen alle einmaligen oder wiederkehrenden Einkünfte nach der Generalklausel von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_16" target="_blank" rel="noopener">16 Abs. 1 DBG</a> und 15 Abs. 1 StG TI sowie der nicht abschliessenden Auflistung der steuerbaren Einkünfte gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17" target="_blank" rel="noopener">Art. 17-23 DBG</a> und 16-22 StG TI der Einkommenssteuer; vorbehalten bleiben Ausnahmen, die im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind.</p>
<p>Die erste Ausnahme bildet die in den <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_24" target="_blank" rel="noopener">Artikeln 24 DBG</a> und 23 StG TI enthaltene abschliessende Aufzählung von steuerfreien Einkünften, die nicht unter die erwähnte Generalklausel fallen.</p>
<p>Die zweite Ausnahme, die uns hier interessiert, besteht in der Befreiung von Kapitalgewinnen aus der Veräusserung von Privatvermögen im Sinne der <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_16" target="_blank" rel="noopener">Artikel 16 Abs. 3 DBG</a> und 15 Abs. 3 erster Satz StG TI. Die Befreiung von Kapitalgewinnen ist eng auszulegen, dies auch mit Blick auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127" target="_blank" rel="noopener">Art. 127 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV; SR 101)</a>, der den allgemeinen Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorsieht. Demgegenüber sieht das Bundesrecht in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_12" target="_blank" rel="noopener">Art. 12 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)</a> sowie der kantonale Gesetzgeber in den Artikeln 15 Abs. 3 zweiter Satz, 123 und 124 Abs. 1 StG TI ausdrücklich die Besteuerung von Grundstückgewinnen vor. Damit gemeint sind Gewinne aus der Übertragung des Eigentums an Grundstücken oder Teilen davon, die zum Privat- oder Geschäftsvermögen des Steuerpflichtigen gehören, oder von Rechtsgeschäften, deren Wirkungen hinsichtlich der Verfügungsgewalt über das Grundstück wirtschaftlich mit denen einer Eigentumsübertragung vergleichbar sind.</p>
<h2>2. Die Kriterien für die Unterstellung einer Dienstbarkeit unter die Grundstückgewinnsteuer</h2>
<h3>2.1 Die gesetzlichen Voraussetzungen</h3>
<p>Zur Auslegung der Frage, welche Liegenschaftsübertragungen der Grundstückgewinnsteuer unterliegen, kann <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_12" target="_blank" rel="noopener">Art. 12 Abs. 2 StHG</a> herangezogen werden, dessen Wortlaut vollumfänglich von Art. 124 StG TI übernommen wurde. Es gilt der Grundsatz der Besteuerung zum Zeitpunkt der Veräusserung von Grundstücken. Dabei wird die Belastung eines Grundstücks mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen einer Grundstückveräusserung gleichgestellt, sofern diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des Grundstückes dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird.</p>
<p>Die Kriterien für die Beurteilung der wesentlichen Beeinträchtigung einer Dienstbarkeit und insbesondere der Frage, ob die Belastung mit einer Dienstbarkeit (und in einigen Fällen der Verzicht darauf) mit der Veräusserung eines Grundstücks gleichzusetzen ist, lassen sich wie folgt zusammenfassen:<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup></p>
<ul>
<li><span style="font-family: -apple-system, BlinkMacSystemFont, 'Segoe UI', Roboto, Oxygen, Ubuntu, Cantarell, 'Open Sans', 'Helvetica Neue', sans-serif;">Intensität der Belastung des Grundstücks: Die Dienstbarkeit muss auf einen Verzicht des Eigentümers auf wesentliche oder wichtige Befugnisse hinauslaufen. Das heisst, sie muss die Bewirtschaftungsmöglichkeit in erheblichem Masse einschränken oder gar einer Teilveräusserung gleichkommen.</span></li>
<li>Dauer der Belastung: Die Dienstbarkeit wird grundsätzlich auf unbestimmte (oder zumindest für eine sehr lange) Zeit errichtet.</li>
<li>Entschädigung: Für die Belastung mit der Dienstbarkeit wird eine Entschädigung in Form einer einmaligen oder periodischen Auszahlung ausgerichtet.</li>
</ul>
<h3>2.2 Die einschlägige Rechtsprechung</h3>
<p>Die Rechtsprechung der letzten zehn Jahre, die sich mit diesem Thema befasst, ist nicht besonders umfangreich. Dennoch lassen sich einige wichtige Eckpunkte erkennen. Insbesondere folgende Fallkonstellationen können, unter bestimmten Voraussetzungen, die vorgenannten Kriterien vollständig erfüllen:</p>
<ul>
<li>Dienstbarkeiten des Bauverbots;</li>
<li>Dienstbarkeiten wichtiger Baubeschränkungen (z.B. Bauhöhenbeschränkung);</li>
<li>einzelne Baurechte (in der Lehre jedoch sehr umstritten).</li>
</ul>
<p>Zu diesen Fallkonstellationen kann die Abtretung von gewissen Arten von Bauziffern hinzugerechnet werden.</p>
<p>Aufgrund des Kriteriums der Belastungsdauer beziehen sich die in Frage kommenden Fälle im Allgemeinen auf Grunddienstbarkeiten oder irreguläre (abtretbare und übertragbare) Personaldienstbarkeiten von unbestimmter Dauer. Das heisst, sie stehen in engem Zusammenhang mit den herrschenden und dienenden Grundstücken und/oder hängen nicht von den einzelnen Eigentümern ab. Es wäre in der Tat unmöglich oder zumindest sehr kompliziert, nachzuweisen, dass eine Dienstbarkeit, die eng mit einem oder mehreren Eigentümern verbunden ist, auf unbestimmte (oder zumindest für eine sehr lange) Zeit errichtet wurde.</p>
<p>Diese ersten Überlegungen erlauben es uns bereits, eine Reihe von Dienstbarkeiten auszuschliessen, die in der Schweiz weit verbreitet sind, insbesondere die Nutzniessung und das Wohnrecht. Obwohl diese auch für lange Zeiträume begründet werden können, handelt es sich um regelmässige Personaldienstbarkeiten, die nicht mit einer Eigentumsübertragung im Sinne der jüngsten Rechtsprechung gleichgesetzt werden können.<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup></p>
<h4>2.2.1 Die Dienstbarkeiten des Bauverbots und der Bauhöhenbeschränkung</h4>
<p>Die Dienstbarkeiten des Bauverbots und der Bauhöhenbeschränkung im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_730" target="_blank" rel="noopener">Art. 730 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210)</a> sind «negative» Grunddienstbarkeiten- Dabei geniesst der Eigentümer des berechtigten Grundstücks keine unmittelbare Nutzung des belasteten Grundstücks, sondern profitiert im Interesse seines Grundstücks von unbefristeten Eigentumsbeschränkungen des belasteten Grundstücks.</p>
<p>Für die Beurteilung der Intensität der Beschränkungen spielt der Inhalt der Dienstbarkeit eine wichtige Rolle: Während bei einem Bauverbot die hohe Belastungsintensität des dienenden Grundstücks eher offensichtlich ist, hängt diese bei einer Bauhöhenbeschränkung sehr stark von den Umständen ab.</p>
<p>Zur besseren Veranschaulichung dieser Begriffe sei auf zwei Urteile verwiesen, eines vom Gerichtshof des Kantons Genf<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup> und das andere von der steuerrechtliche Kammer des Appellationsgerichts des Kantons Tessin<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup>.</p>
<h4>2.2.2 Die Dienstbarkeit des Bauverbots</h4>
<p>Das erste Urteil betrifft ein Ehepaar, das im Jahr 2003 ein Haus im Kanton Genf für einen Kaufpreis von CHF 2’420’000 erworben hat. Zum Zeitpunkt des Erwerbs verfügte das Haus bereits über zwei Bauverbotsdienstbarkeiten, welche auf zwei angrenzenden Grundstücken lasteten. Im Jahr 2006 stimmten die Ehegatten der Löschung der beiden Dienstbarkeiten für eine Entschädigung von CHF 150'000, respektive CHF 200’000 zu.</p>
<p>Die zuständige kantonale Steuerbehörde besteuerte diese Entschädigungen als Grundstückgewinne und verhängte zudem eine Busse gegen die beiden Ehegatten wegen unterlassener Deklaration dieser Kapitalgewinne. Die beiden Ehegatten erhoben gegen diesen Entscheid der kantonalen Steuerbehörde Einsprache. Sie machten geltend, die erhaltenen Entschädigungen entsprächen keinem steuerbaren Mehrwert oder Grundstückgewinn, sondern einem Ausgleich für einen Minderwert der Liegenschaft infolge der Löschung der beiden Bauverbotsdienstbarkeiten.</p>
<p>Der im Jahr 2003 gezahlte Kaufpreis sei als Gesamtpreis des Grundstücks einschliesslich des Wertes dieser Dienstbarkeiten zu verstehen. In der Zwischenzeit habe das Gutachten eines Architekten belegen können, dass die fraglichen Dienstbarkeiten nach ihrer Löschung wahrscheinlich zu einem Wertverlust des Grundstücks von 15% (Einschränkung der Sonneneinstrahlung zu bestimmten Zeiten des Jahres) geführt hätten. Das entspreche CHF 350'000 und damit dem Total der ausbezahlten Entschädigungen.</p>
<p>Nach den verschiedenen Instanzen gelangt der Streit vor den Genfer Gerichtshof. Dieser bestätigte in erster Linie den Grundsatz, dass der Verzicht auf eine Bauverbotsdienstbarkeit zur Erhebung einer Grundstückgewinnsteuer nach kantonalem Recht führen kann. Aus steuerlicher Sicht stelle die Zahlung der beiden Entschädigungen nämlich eine Teilveräusserung eines Grundstücks im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_12" target="_blank" rel="noopener">Art. 12 StHG</a> dar (und der entsprechenden kantonalen Bestimmungen; für den Kanton Tessin handelt es sich um Art. 123 und 124 sowie 137 «sinngemäss» StG TI).<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> Daraus ergibt sich die Qualifikation als Kapitalgewinn aus der Veräusserung von Privatvermögen. Dieser ist von der Einkommenssteuer gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_16" target="_blank" rel="noopener">Art. 16 Abs. 3 DBG</a> befreit, wird aber auf kantonaler Ebene (für das Tessin mittels der Grundstückgewinnsteuer) besteuert.</p>
<p>Entschädigungen, die bei der Löschung einer Bauverbotsdienstbarkeit erhalten werden, sind Leistungen, die vor der vollständigen Veräusserung der Liegenschaft erhalten werden, und unterliegen der Grundstückgewinnsteuer. Die tatsächliche Natur der Grundstückgewinnsteuer führt zudem dazu, dass jeder Teilgewinn nach dem Grundsatz der getrennten Gewinnermittlung gesondert besteuert wird.</p>
<p>Zum «Quantum» führt der Genfer Gerichtshof aus, dass für die Berechnung der Entschädigung bei der Löschung einer Dienstbarkeit nur die unmittelbaren Folgen der Aufhebung dieser Dienstbarkeit zu berücksichtigen seien.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup> Diese hat nach Auffassung des Gerichtshofes keinen eigenen Verkehrswert, da sie in enger wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Grundstück steht, dem sie dient, und zum Grundstück, zu dessen Gunsten sie errichtet worden ist. Ihr Wert ist daher anhand der damit verbundenen Grundstücken zu bestimmen. Im Falle der Löschung oder Einschränkung der Dienstbarkeit ist gemäss dem Genfer Gerichtshof der Verkehrswert des Grundstücks mit dem beschränkten dinglichen Recht zu seinen Gunsten und mit dem Verkehrswert des Grundstücks nach Aufhebung der Dienstbarkeit zu vergleichen. Folgt man der Argumentation des Genfer Gerichtshofs, so hat die Bauverbotsdienstbarkeit zum Ziel, eine optimale Sonneneinstrahlung aufrechtzuerhalten und damit zu verhindern, dass das herrschenden Grundstück aufgrund unzureichender Sonneneinstrahlung an Marktwert verliert.</p>
<p>Das Vorhandensein dieser Dienstbarkeit im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks führt hingegen nicht zu einer Wertsteigerung des Grundstücks. In Fortsetzung der Argumentation des Genfer Gerichts entspricht die Entschädigung von CHF 350’000, die die Ehegatten für die Löschung der Dienstbarkeit erhalten haben, der Gegenleistung für eine Teilveräusserung ihrer Liegenschaft und damit nicht einer allfälligen Gegenleistung im Zeitpunkt des Erwerbs der gesamten Liegenschaft.</p>
<p>Aus steuerlicher Sicht wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Entschädigung als vor der vollständigen Veräusserung des unbeweglichen Gegenstands erworbene Leistung angesehen wird und als solche steuerpflichtig ist. Die geschuldete Grundstückgewinnsteuer wird als endgültige Steuerlast betrachtet.</p>
<p>Erst bei einer allfälligen Verwertung des gesamten Grundstücks, d.h. im Zeitpunkt des Verkaufs der gesamten Liegenschaft, können die Ehegatten vom Verkaufspreis (Veräusserungswert) den ursprünglichen Erwerbspreis (CHF 2’420’000), reduziert um den Minderwert infolge der Löschung der Dienstbarkeit (CHF 350’000),<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> der bereits als Teilveräusserung mit der Grundstückgewinnsteuer besteuert wurde, abziehen. Dies entspricht dem Kongruenzprinzip, das auch als «Grundsatz der vergleichbaren Verhältnisse» bezeichnet wird und besagt, dass sich bei der Bestimmung des steuerbaren Gewinns der Kauf- und der Verkaufspreis auf eine Immobilie beziehen müssen, die sowohl in materieller als auch in rechtlicher Hinsicht vergleichbar ist.</p>
<p>Die Kritik, die an diesem Urteil angebracht werden könnte, betrifft nach Auffassung der Autorin das «Quantum» des Mehrwerts, der zum Zeitpunkt der Löschung der Dienstbarkeit der Grundstückgewinnbesteuerung unterliegt, was im vorliegenden Fall de facto dem Gesamtbetrag der gezahlten Entschädigungen entspricht.</p>
<p>Ist es tatsächlich richtig, zum Zeitpunkt des Kaufs der Liegenschaft keinen gesonderten Verkehrswert der Bauverbotsdienstbarkeit zu berücksichtigen? Sollte nicht eher bei der Berechnung des Grundstückgewinns, insbesondere bei der Ermittlung eines möglichen Anlagewerts der Dienstbarkeit, die Tatsache gebührend berücksichtigt werden, dass diese Dienstbarkeit das Grundstück vor jeglicher Beeinträchtigung der Sonneneinstrahlung, der Ruhe und/oder der Aussicht geschützt hat, was bei der Bestimmung des Kaufpreises der Liegenschaft möglicherweise einen Mehrwert geschaffen hat?</p>
<p>Die Rechtsprechung des Bundesgerichts und ein Teil der dazu konsultierten Lehre lassen die Möglichkeit offen, auch einen «Kaufpreis» der Grunddienstbarkeit zu berücksichtigen, der die bei deren Löschung bezahlte Entschädigung reduziert.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup></p>
<p>Nach Ansicht der Autorin sollte man sich diese Frage stellen. Das gilt insbesondere wenn der Steuerbehörde der Wert bekannt ist, den die Parteien den einzelnen Grundstückbestandteilen beim Erwerb beimessen. Dazu gehören auch die vorliegenden Bauverbotsdienstbarkeiten, wenn bspw. deren zugeteilter Wert im Kaufvertrag klar angegeben ist oder durch ein dem Kaufvertrag beigelegtes Gutachten belegt wird. In diesem Fall ist nicht ersichtlich, weshalb von den Vereinbarungen der Parteien abgewichen werden muss, es sei denn, es liegen eindeutige Anhaltspunkte für eine Steuerumgehung vor.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup></p>
<h4>2.2.3 Dienstbarkeiten zur Begrenzung der Höhe</h4>
<p>Das zweite Tessiner Kantonsurteil betrifft die Eigentümerin eines Grundstückes, zu dessen Gunsten eine Dienstbarkeit zur Begrenzung der Bauhöhe zulasten eines angrenzenden Grundstücks besteht. Im Jahr 2008 schliesst die Eigentümerin des berechtigten Grundstücks mit den Eigentümern des belasteten Grundstücks eine Vereinbarung über eine Ausnahme von dieser Dienstbarkeit. Diese besagt, dass die Nachbarn trotz der auf diesem Grundstück lastenden Begrenzung der Höhe drei Fahrzeuge auf dem Dach der Wohnung abstellen dürfen. Die Entschädigung für diese Ausnahme wird auf CHF 16’000 festgelegt.</p>
<p>Die Veranlagungsbehörde rechnete bei der Eigentümerin des begünstigten Grundstücks CHF 16’000 dem steuerbaren Einkommen auf. Gegen den Entscheid der kantonalen Steuerbehörde erhob die Eigentümerin Einsprache und beantragte, den streitigen Betrag der Grundstückgewinnsteuer und nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen.</p>
<p>Das kantonale Gericht weist zunächst darauf hin, dass die Belastung eines Grundstücks mit einer privatrechtlichen Dienstbarkeit nur dann der Grundstückgewinnsteuer unterliegen könne, wenn diese die unbedingte Nutzung oder den Verkauf des Grundstücks erheblich einschränke. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Dienstbarkeit ein absolutes Bauverbot auf einem Grundstück oder eine einschneidende Begrenzung der Bauhöhe nach sich zieht. Nicht einer (teilweisen) Veräusserung gleichgestellt sind hingegen Dienstbarkeitsbegründungen, die sich darauf beschränken, ein Durchgangsrecht für Fussgänger oder für Hochspannungsleitungen zu gewähren.<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup></p>
<p>Das Gericht weist sodann darauf hin, dass die Steuerpflichtige mit der Vereinbarung von 2008 keineswegs auf die Dienstbarkeit zugunsten ihres Grundstücks verzichtet, sondern sich darauf beschränkt habe, den Eigentümern des belasteten Grundstücks zu gestatten, drei Fahrzeuge mit einer Höhe von höchstens 1,80 m auf dem Dach des Hauses abzustellen.</p>
<p>Selbst wenn die gewährte Ausnahme tatsächlich zu einer gewissen Wertminderung des herrschenden Grundstücks geführt hätte, handelte es sich nicht um eine sich aus der Errichtung einer Dienstbarkeit ergebende, erhebliche Wertminderung, , die ein absolutes Bauverbot oder eine einschneidende Begrenzung der Bauhöhe beinhaltet. Mit anderen Worten ist nicht ersichtlich, wie in diesem Fall die Ausnahme von der Dienstbarkeit einer teilweisen Veräusserung oder Teilung des Grundstücks der Beschwerdeführerin gleichgestellt werden könnte.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup></p>
<p>Vor diesem Hintergrund lässt es die steuerrechtliche Kammer offen, ob die von der steuerpflichtigen Person vereinnahmte Entschädigung als Einkommen aus unbeweglichem Vermögen oder als Entschädigung für die Nichtausübung eines Rechts einzustufen ist, da es sich ohnehin um ein steuerbares Einkommen handelt, das der Einkommenssteuer unterliegt.<sup><a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup> Sie lässt jedoch in ihren Erwägungen darauf schliessen, dass im vorliegenden Fall der Zusammenhang mit dem unbeweglichen Vermögen ziemlich eng erscheint, so dass es sich um Vermögenserträge handeln könnte.</p>
<p>Hätte sich in steuerlicher Hinsicht etwas geändert, wenn nicht eine Ausnahmevereinbarung, sondern die Löschung der Dienstbarkeit zur Begrenzung der Höhe gegen Entschädigung unterzeichnet worden wäre?</p>
<p>Wie bereits ausgeführt, schliesst die Rechtsprechung die Qualifikation einer solchen Transaktion als ein der Grundstückgewinnsteuer unterliegender Kapitalgewinn nicht aus. Schlussendlich hängt dies von der Intensität der Dienstbarkeitsbeschränkung ab, die mindestens dem Verzicht auf wesentliche Befugnisse der Eigentümerin des belasteten Grundstücks entsprechen muss.</p>
<p>Ob der durch die Errichtung (oder den Verzicht) einer Dienstbarkeit erzielte Gewinn als Kapitalgewinn qualifiziert werden kann, beurteilt sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oft nach dem Kriterium des Vermögensverzehrs oder nach dem Kriterium der vollständigen oder teilweisen Vermögensverwertung. Bei der Verwertung verlassen die dinglichen Rechte an einem Grundstück den Bereich des Übertragenden und vermindern sich vorübergehend bis zum Erhalt der Gegenleistung, die in einem angemessenen Kausalzusammenhang mit dem verzehrten Vermögen stehen muss.<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup></p>
<p>Im vorliegenden Fall ist der genaue Inhalt der Dienstbarkeit zur Begrenzung der Bauhöhe sowie das Nutzungspotenzial des belasteten Grundstücks nicht bekannt, sodass deren Umfang schwer zu beurteilen ist. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Urteil zur steuerlichen Qualifikation einer Entschädigung für die Errichtung einer Dienstbarkeit zur Begrenzung der Bauhöhe<sup><a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup> zwar die bisherige Rechtsprechung bestätigt hat, wonach eine Dienstbarkeiten vorliegen muss, welche die Bewirtschaftung des Grundstücks wesentlich einschränkt, um von einer Teilveräusserung ausgehen zu können. Das Bundesgericht hat aber auch dem Wert der ausgerichteten Entschädigung eine besondere Bedeutung zugemessen. Insbesondere könne ein im Verhältnis zum Verkehrswert des Grundstücks hohe Entschädigung als Indiz dafür gewertet werden, dass es sich um erhebliche Einschränkungen handle, die einer teilweisen Veräusserung gleichkämen. Im vorliegenden Fall entsprach die gezahlte Entschädigung nur 2% des Gesamtwerts des Grundstücks, sodass das Bundesgericht die Feststellungen der Vorinstanzen bestätigte, ohne davon auszugehen, dass ein Indiz in diesem Sinne vorlag.</p>
<p>Für den Fall, dass sich die Eigentümer des belasteten Grundstücks später für den Verkauf dieses Grundstücks entscheiden, kann die seinerzeit für die Ausnahmeregelung gezahlte Entschädigung, die zuvor beim Eigentümer des belasteten Grundstücks als Vermögensertrag besteuert wurde, bei der Bestimmung der Anlagekosten, die zur Wertsteigerung des belasteten Grundstücks beigetragen haben, nicht berücksichtigt werden.</p>
<h4>2.2.4 Baurechte</h4>
<p>Aus zivilrechtlicher Sicht sind Baurechte in der Regel unregelmässige (abtretbare und übertragbare) Personaldienstbarkeiten Dabei räumt der Grundeigentümer einem Dritten, der als Bauberechtigter bezeichnet wird, das Recht ein, auf seinem Grundstück im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_779" target="_blank" rel="noopener">Art. 779 ff. ZGB</a> auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten.</p>
<p>Dieses beschränkte dingliche Recht erlaubt es, das Eigentum am Grundstück vom Eigentum an den darauf errichteten Bauten zu trennen. Der Bauberechtigte wird Eigentümer der auf oder unter der Bodenfläche erstellten Bauwerken wird, während der der ursprüngliche Eigentümer das Eigentum am Grundstück behält.</p>
<p>Das Baurecht wird in der Regel gegen eine Gegenleistung in Form einer einmaligen oder periodischen Abfindung gewährt, welche den Baurechtszins darstellt. Hingegen erhält der Bauberechtigte während der Dauer des Baurechts allfällige Erträge aus Gebäuden oder Einrichtungen, die auf oder unter der Bodenfläche erstellt werden.<sup><a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a></sup> Diese Dienstbarkeit muss von erheblicher Dauer sein (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_675" target="_blank" rel="noopener">Art. 675 ZGB</a>) und kann das Merkmal eines selbständigen und dauernden Rechts aufweisen, das als Liegenschaft im Grundbuch eingetragen ist (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_779" target="_blank" rel="noopener">Art. 779 Abs. 3 ZGB</a>).</p>
<p>Aus steuerlicher Hinsicht, zurückkommend auf den Begriff der Grundstückgewinnbesteuerung, sind nach dem Wortlaut von Art. 124 Abs. 2 lit. d StG TI insbesondere die Begründung zugunsten Dritter und Veräusserungen von Baurechten steuerbar, die den Charakter von selbständigen und dauernden Rechten haben und deren Wirkungen wirtschaftlich einer Veräusserung des Eigentums gleichkommen. Diese Formulierung könnte auf den ersten Blick darauf hindeuten, dass das Kriterium des selbständigen und dauernden Rechts für die die Besteuerung des Baurechts mit der Grundstückgewinnsteuer entscheidend ist.</p>
<p>Die Bestimmungen des Bundesrechts und des kantonalen Rechts sind entsprechend dem Grundsatz der vertikalen Steuerharmonisierung und, wie das Bundesgericht mehrfach ausgeführt hat,<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> soweit sie die gleiche Tragweite und den gleichen Inhalt haben, in gleicher Weise auszulegen. Die vorgenannten bundesrechtlichen Regeln, einschliesslich des Kriteriums des Vermögensverzehrs, gelten entsprechend auch für das kantonale Recht und, soweit hier interessierend auch für Art. 124 Abs. 2 lit. d StG TI, der die Baurechte ausdrücklich erwähnt. Daraus folgt, wie wir sehen werden, dass die Qualifikation als selbständiges und dauerndes Baurecht trotz der «unglücklichen» Formulierung von Art. 124 Abs. 2 lit. d StG TI nicht entscheidend ist, ob dessen Errichtung einer Veräusserung von Eigentum gleichkommt.</p>
<p>In einem Urteil vom 5. Juni 2015<sup><a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup> befasste sich das Bundesgericht mit einer Erbengemeinschaft, die Eigentümerin eines Grundstücks war und einer Gesellschaft ein selbständiges und dauerndes Baurecht eingeräumt hatte. Diese Gesellschaft betrieb dort ein Geschäft und konnte aufgrund des Baurechts die erforderlichen Parkplätze errichten. Als Entschädigung erhielt die Erbengemeinschaft eine regelmässige Vergütung.</p>
<p>Zusammenfassend stellte die kantonale Veranlagungsbehörde fest, dass diese Vergütung der ordentlichen Einkommensteuer im Sinne der <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">Art 21 Abs. 1 lit. c DBG</a> und 20 Abs. 1 lit. c StG TI unterliege. Folglich seien die Einkünfte aus Baurechtsverträgen als Erträge aus unbeweglichem Vermögen zu versteuern. Dagegen hat der Steuerpflichtige vor den kantonalen Instanzen erfolglos geltend gemacht, dass vorliegend Art. 124 Abs. 2 lit. d StG TI anzuwenden sei, der die Besteuerung von Grundstückgewinnen regle.</p>
<p>Trotzdem folgte das Bundesgericht der Argumentation der Vorinstanzen. Es kam zum Schluss, dass das streitgegenständliche Baurecht zwar tatsächlich als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen worden sei und einen selbständigen und dauernden Charakter habe, die jährliche Gegenleistung unterliege jedoch nicht der Grundstückgewinnsteuer, da die Begründung des Baurechts im vorliegenden Fall auf höchstens 60 Jahre beschränkt sei und daher nicht einer Veräusserung im Sinne der anwendbaren Praxis und Gesetzgebung gleichkomme.</p>
<p>Das Bundesgericht hat ferner darauf hingewiesen, dass mit der Verwertung und damit der Veräusserung einer Liegenschaft die Idee eines Vermögensverzehrs einhergehe, die eine entscheidende Voraussetzung für die Anerkennung eines von der ordentlichen Einkommenssteuer befreiten Kapitalgewinns sei.</p>
<p>Im vorliegenden Fall habe nach Ansicht der Bundesrichter kein Vermögensverzehr stattgefunden. Der Inhaber des Baurechts sei zwar der Eigentümer der inzwischen errichteten Bauten gewesen, das Eigentum am belasteten Grundstück sei aber bei der ursprünglichen Eigentümerin, also bei der Erbengemeinschaft, verblieben. Nach Ablauf von 60 Jahren, wenn das Baurecht erlischt, wird dieselbe Gemeinschaft auch Eigentümerin der später erstellten Bauten. Im Gegenzug zur Errichtung des Baurechts hat die Erbengemeinschaft periodische Entschädigungen vereinbart, die nicht als Zahlungen für eine Eigentumsübertragung betrachtet werden können. Die Veranlagungsbehörde hat die Entschädigung somit zu Recht als Einkommen gemäss den Artikeln 20 Abs. 1 lit. c StG TI und <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">21 Abs. 1 lit. c DBG</a> besteuert.</p>
<p>Daraus folgt, dass das Bundesgericht zumindest im Fall der Begründung einer Dienstbarkeit an einem noch nicht bebauten Grundstück dazu neigt, der von der herrschenden Lehre vertretenen Auffassung zu folgen, wonach ein solches Baurecht, wenn es zeitlich begrenzt ist, keine Veräusserung zur Folge hat, auch wenn es als Grundstück im Grundbuch eingetragen ist Die gezahlte Entschädigung unterliegt daher nicht Grundstückgewinnsteuer.<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup></p>
<p>Kann es Situationen geben, in denen die Begründung eines Baurechts tatsächlich einer Eigentumsübertragung gleichkommt?</p>
<p>Eine Minderheit der Lehre ist der Auffassung, dass bei einer Dienstbarkeit von mehr als 100 Jahren die Vergütung der Grundstückgewinnsteuer unterliegen könnte.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup></p>
<p>Einige Autorinnen und Autoren unterscheiden zudem, ob das durch das Baurecht belastete Grundstück bereits überbaut ist (wie im vorigen Fall) oder die Bauten erst errichtet werden. Im ersten Fall unterliegt die bezogene Leistung in vollem Umfang der Einkommensteuer. Im Falle eines bereits bebauten Grundstücks ist die Entschädigung hingegen in zwei Teile aufzuteilen. Die Entschädigung für das bestehende Bauwerk unterliegt der Grundstückgewinnsteuer, weil das Eigentum daran übertragen wird. Die Entschädigung für die Nutzung des Grundstücks hingegen unterliegt der normalen Einkommensteuer.<sup><a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup></p>
<p>Auch das Bundesgericht scheint in einer älteren Rechtsprechung diese Theorie zu bestätigen. Es unterscheidet ein für 90 Jahre eingeräumtes Baurecht an einem unbebauten Grundstück<sup><a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a> </sup>von dem Fall, in dem dasselbe Grundstück bereits bebaut ist und das Eigentum an dem Gebäude auf den Grundstückseigentümer übergeht.<sup><a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup> Nach Ansicht der Autorin besteht derzeit kein Grund, von dieser Theorie abzuweichen.<sup><a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup> Allenfalls könnte in der Praxis des Bundes oder der Kantone die Mindestdauer des Baurechts, bei der unter Umständen davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen gegeben sind, um mindestens einen Teil der Entschädigung über die Grundstückgewinnsteuer zu besteuern, besser definiert werden.</p>
<h4>2.2.5 Die Abtretung von Bauziffern</h4>
<p>Bei der Übertragung oder dem Austausch von Bauziffern handelt es sich um ein besonderes Institut des Baurechts. Damit wird die überbaubare Fläche eines Grundstücks einem anderen Grundstück zugewiesen, um ein Bauwerk innerhalb der durch den Belegungs- oder Ausnützungsziffer festgelegten Grenzen zu ermöglichen. Gemäss Art. 38a Abs. 1 des kantonalen Baugesetzes («Legge edilizia cantonale», LE; RL 705.100) können die zu einem Grundstück gehörenden Baumassen auf benachbarte Grundstücke derselben Nutzungszone der Raumplanung übertragen werden, wenn dadurch die Planung nicht behindert wird und insbesondere die rationelle Nutzung des Landes sowie eine harmonische Überbauung nicht gefährdet werden.</p>
<p>Die Raumplanung kann gemäss Absatz 2 weitere Spezifikationen und Einschränkungen festlegen. Die Kontrolle der Baumassen erfolgt durch die Gemeinden mittels eines amtlichen Registers, das die Übertragung von Baumassen und deren Verwendungszwecke, die an die Baufläche anrechenbaren Flächen und weitere für die Feststellung der Nutzungsgrenzen relevante Angaben enthält (Art. 38b LE).</p>
<p>Die Rechtsprechung und Lehre haben bereits klargestellt, dass kein Grund besteht, die Zulässigkeit einer Abtretung von Bauziffern zwingend von der Errichtung einer Grunddienstbarkeit zwischen den von der Überbauung betroffenen Grundstücken abhängig zu machen, es sei denn, das Gemeinderecht verlange dies ausdrücklich. Die Erklärung des Eigentümers, bestimmte Grundstücke für ein Bauvorhaben zur Verfügung zu stellen, reicht aus, um die von jedem einzelnen Grundstück genutzte Baufläche zu bestimmen.<sup><a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">25</a></sup></p>
<p>Nach gefestigter kantonaler Rechtsprechung kann Art. 135 StG TI, der die Fälle der Teilveräusserung gegen Entschädigung regelt, auch auf bestimmte Fälle der Abtretung von Bauziffern Anwendung finden, selbst wenn er keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine solche Transaktion enthält.</p>
<p>Diese Bestimmung sieht insbesondere vor, dass bei einer Teilveräusserung mit der Zahlung einer Entschädigung für die Wertminderung der Anlagewert des verbleibenden Teils für die Besteuerung anteilsmässig berechnet wird.</p>
<p>Wie die Entschädigung für die Wertminderung des verbleibenden Teils in vielen Fällen die verminderte Bebaubarkeit des Grundstücks kompensiert (z.B. im Falle einer Teilenteignung), gleicht auch die Entschädigung für die Übertragung von Bauziffern eine verminderte Bebaubarkeit des Grundstücks aus.</p>
<p>Es besteht daher kein Grund, die beiden Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Bei der Bestimmung des anrechenbaren Anteils am Anlagewert ist der Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt der Belastung, d.h. der Wert des «Restanteils» vor der Abwertung durch die Bauzifferabtretung, zu schätzen.<sup><a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">26</a></sup></p>
<p>In einem älteren Urteil<sup><a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27">27</a></sup> sah sich die steuerrechtliche Kammer mit einem Fall konfrontiert, in dem es um die Übertragung von Bauziffern von einem Grundstückblatt auf ein anderes für einen Betrag von CHF 11'580 ging. Ohne näher auf die Einzelheiten des Falls einzugehen, ist das Urteil insofern interessant, als es die für diese Transaktionen geltenden steuerlichen Grundprinzipien zusammenfasst. Zunächst weist die steuerrechtliche Kammer auf den Anwendungsbereich von Art. 135 StG TI hin und präzisiert, dass, wenn die Wertminderung des verbleibenden Teils des abtretenden Grundstücks ein solches Ausmass erreicht, dass sie einer Teilveräusserung gleichkommt und die gezahlte Entschädigung folglich einen erheblichen Betrag ausmacht, letztere der Grundstückgewinnsteuer unterliegt.</p>
<p>Ist hingegen die Bauzifferabtretung und die damit verbundene Entschädigung vernachlässigbar und wird die Schwelle der steuerbaren Übertragung somit nicht erreicht, kann zu diesem Zeitpunkt auf die Besteuerung verzichtet werden. Macht man aber von dieser Möglichkeit Gebrauch und verzichtet auf die Besteuerung, so müsste die entsprechende Entschädigung dem Verkaufspreis im Zeitpunkt der späteren Veräusserung des belasteten Grundstücks angerechnet werden. Der Anlagewert (=Wert des früheren Erwerbs zuzüglich Bau - und Ausbaukosten) und der Veräusserungswert (=Verkaufspreis) müssen sich nach dem Kongruenzprinzip, auch «Grundsatz der vergleichbaren Verhältnisse» genannt, tatsächlich und rechtlich auf dieselbe Liegenschaft beziehen.</p>
<p>In Bezug auf die aktuelle Praxis neigt die Tessiner Steuerbehörde aus Praktikabilitätsgründen in Anwendung von Art. 135 StG TI dazu, jede Bauzifferabtretung mit der Grundstückgewinnsteuer zu besteuern, ohne von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, in geringfügigen Fällen Unterscheidungen vorzunehmen.<sup><a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28">28</a></sup></p>
<h2>3. Schlussfolgerungen</h2>
<p>Trotz der Komplexität des Themas und der zahlreichen möglichen Fallkonstellationen können wir aufgrund der erfolgten Analyse einige wichtige Eckpunkte erkennen, die bei der Prüfung konkreter Sachverhalte zu berücksichtigen sind.</p>
<p>Zunächst ist festzuhalten, dass nur die Errichtung privatrechtlicher Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlicher Beschränkungen, welche die unbedingte Nutzung eines Grundstücks beschränken oder den Verkehrswert eines Grundstücks dauernd und erheblich vermindern und gegen Entrichtung einer (einmaligen oder periodischen) Entschädigung erfolgen, steuerlich der Veräusserung eines Grundstücks gleichgestellt sind (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_12" target="_blank" rel="noopener">Art. 12 Abs. 1 und 2 lit. c StHG</a>) und damit grundsätzlich der Grundstückgewinnsteuer unterliegen.</p>
<p>Mit dieser Definition können bereits reguläre persönliche Dienstbarkeiten (Nutzniessung, Wohnrecht etc.) ausgeschlossen werden. Diese sind eng mit bestimmten Personen verbunden und können an sich nicht als «dauernd» im Sinne des Steuerrechts gelten.</p>
<p>Damit verbleiben gewisse Grunddienstbarkeiten (Bauverbot, Bauhöhenbegrenzung, Abtretung von Bauziffern usw.) und unregelmässige persönliche Dienstbarkeiten (Baurecht), welche in jedem Fall die drei Anforderungen an die Intensität der Last der Eigentumsbeschränkung, an die Dauerhaftigkeit der Beschränkung und an deren Entschädigung erfüllen müssen. Ausserdem wird darauf hingewiesen, dass die jüngste Rechtsprechung der gezahlten Entschädigung zunehmend Aufmerksamkeit widmet. Im Verhältnis zum Verkehrswert des Grundstücks hohe Beträge können ein Indiz dafür sein, dass eine Dienstbarkeit vorliegt, die einer Veräusserung gleichgesetzt werden könnte.</p>
<p>Kommt die Grundstückgewinnsteuer nicht in Frage, so richtet sich die Besteuerung nach der Art des begründeten (oder erloschenen) Rechts und der Art der erhaltenen Entschädigung. Wird eine Kapitalleistung ausgerichtet, so gebietet es der Grundsatz der Praktikabilität, die Begründung (oder Löschung) einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts nicht der Einkommenssteuer zu unterwerfen, da es sich dabei lediglich um eine Vermögensumstrukturierung des Eigentümers, dem das nackte Eigentum verbleibt, und des Empfängers der Dienstbarkeit handelt. Es kommt zu keiner Erhöhung des Eigenkapitals.</p>
<p>Handelt es sich um ein Baurecht, so wird das Kapital unter Anwendung von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_37" target="_blank" rel="noopener">Art. 37 DBG</a> (und Art. 37 StG TI) als Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen besteuert.</p>
<p>Im Fall einer Entschädigung im Zusammenhang mit einer nicht besonders einschneidenden Dienstbarkeit zur Begrenzung der Höhe deutet die untersuchte Rechtsprechung hingegen darauf hin, dass der enge Zusammenhang mit dem Grundstück die Qualifikation als ordentlich steuerbaren Grundstücksertrag rechtfertigen kann.</p>
<p>Bei der Begründung oder Löschung von Dienstbarkeiten gegen eine periodische Leistung (z.B. eine monatliche Rente) unterliegen solche Zahlungen in der Regel der Einkommenssteuer (vgl. auch <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">Art. 21 DBG</a> und Art. 20 StG TI).<sup><a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">29</a></sup></p></article>
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